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Röslers Rochade Irgendwo zwischen Krenz und Modrow

Ämter für alle: Homburger, Brüderle, Rösler.

Ämter für alle: Homburger, Brüderle, Rösler.

(Foto: dapd)

Der designierte FDP-Vorsitzende Rösler ist gescheitert, bevor er überhaupt zum Parteichef gewählt wurde. An inhaltlichen Differenzen mit Noch-Wirtschaftsminister Brüderle liegt das nicht - es liegt an der Beharrungskraft der alten FDP, die sich von der Realität weitgehend abgekoppelt hat.

An diesem Schachzug hat Philipp Rösler lange gefeilt: Der künftige FDP-Chef ist seinen Job als Gesundheitsminister los und kann Wirtschaftsminister werden. Als solcher hat er mehr Zeit, der FDP neues Leben einzuhauchen. Und, klar, Wirtschaft klingt auch deutlich mehr nach Chefsache als Gesundheit.

Um dieses Ziel zu erreichen, musste Wirtschaftsminister Rainer Brüderle möglichst elegant entsorgt werden. Denn aus unerfindlichen Gründen gilt der bald 66-Jährige trotz peinlicher Protokollaffäre und trotz der Wahlschlappe in seiner Heimat Rheinland-Pfalz als eine Art Brücke zwischen der alten und der künftigen FDP. Brüderle wird nun Fraktionschef. Noch vor drei Tagen galt diese Lösung als "abwegig".

Ist also alles gut? Mitnichten. Röslers Rochade garantiert, dass die Dauerkrise der FDP so bald nicht enden wird. Ein Fraktionschef muss angreifen und analysieren können, er muss die Regierung kritisch begleiten und ihr Mehrheiten organisieren. Klingt nicht nach einer Jobbeschreibung für "Mr. Mittelstand", der bislang weniger durch Loyalität als durch abfällige Witze über die junge Garde um Rösler aufgefallen ist. Zudem gilt das persönliche Verhältnis zwischen Brüderle und Rösler als gestört.

Neue Gesichter?

"Es ist besser, das Profil der neuen FDP durch neue Gesichter prägen zu lassen", schrieb der Ehrenvorsitzende der Partei, Hans-Dietrich Genscher, nachdem die jungen Milden den bisherigen FDP-Chef Guido Westerwelle auf die denkbar sanfteste Art und Weise aus dem Amt geschoben hatten. Mehr als ein Monat ist seither vergangen. Und es wird klar: Rösler scheitert an der Beharrungskraft der alten FDP. Er hat es nicht geschafft, Brüderle zur Aufgabe zu bewegen. Er hat es nicht geschafft, Fraktionschefin Birgit Homburger unauffällig aus dem Amt zu befördern. Über den umstrittenen Außenamtschef sagt er: "Guido Westerwelle ist ein guter Außenminister, und das wird er auch bleiben."

In welchem Zustand ist eine Partei, deren Fraktion nicht einmal eine Vorsitzende austauschen kann, die das Vertrauen ihres Landesverbandes zu großen Teilen verloren hat? Denn, zur Erinnerung: In einer Kampfabstimmung am vergangenen Wochenende war Homburger mit nur 199 zu 192 Stimmen als Landesvorsitzende der baden-württembergischen FDP bestätigt worden. Danach erklärte sie, dass sie sich durch das Wahlergebnis für den Kampf um die Fraktionsspitze in Berlin gestärkt fühle. Das ist der Realitätssinn, mit dem die FDP in die Zukunft marschiert.

Mitfühlend oder klassisch?

Von außen betrachtet muten die Streitigkeiten in der FDP fast schon skurril an: Brüderle wirbt für "FDP pur" und lästert über den "Säuselliberalismus" der Jungen. Die wiederum setzen auf einen "mitfühlenden Liberalismus", der nur scheinbar im Gegensatz zum "klassischen Liberalismus" steht, den eine Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler auf ihre Fahne geschrieben hat. Anders als in anderen Parteien ist der Streit in der FDP kaum inhaltlich unterfüttert, sondern ein Streit um Stil und Personal.

Der ewige FDP-Quergeist Wolfgang Kubicki erregte im vergangenen Dezember erhebliches Aufsehen mit der Bemerkung, die Situation der FDP erinnere ihn an die Spätphase der DDR. "Die ist irgendwann implodiert." Um im Bild zu bleiben: Von ihrem Honecker hat die FDP sich mittlerweile befreit. Jetzt hängt sie irgendwo zwischen Krenz und Modrow. Was ihr noch immer fehlt, ist ein Gysi, der wenigstens Restbestände der Partei in die neue Zeit retten kann.

Quelle: ntv.de

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