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Bombenhagel und gezielte Tötung Israel kommt Krieg ungelegen

Ein Palästinenser protestiert gegen Israel.

Ein Palästinenser protestiert gegen Israel.

(Foto: dpa)

Raketen, heulende Sirenen, immer mehr Tote und Verletzte: Der Konflikt im Nahen Osten eskaliert. Der Schlüssel zur derzeitigen Zuspitzung des Konflikts dürfte in Kairo liegen, wo Präsident Mursi eine zweischneidige Politik fährt.

Die palästinensische Hamas-Organisation und mit ihr die arabische Welt halten die "gezielte Tötung" des Hamas Militärbefehlshabers Dschabari durch eine israelische Rakete für den "Auslöser des jetzigen "Krieges" zwischen Israel und den Gazastreifen. Für die Israelis ist jedoch der massive Raketenbeschuss auf israelische Städte seit Wochen zunehmend unerträglich und neben exakten Geheimdienstinformationen der akute Grund gewesen, jetzt jenen Mann auszuschalten, der mit Terroranschlägen hunderte Israelis getötet, den Soldaten Gilad Schalit entführt, fünf Jahre lang in Geiselhaft gehalten und Israel erpresst hat, ihn im Tausch für über tausend palästinensische Gefangene, darunter Massenmörder, freizugeben. Für die Israelis - und da sind sich Bevölkerung, Regierung und Oppositionsparteien einig - ist nicht hinnehmbar, dass eine Million Menschen, ein Fünftel der Bevölkerung, wochenlang in Luftschutzkellern ausharren, nicht arbeiten und die Kinder nicht in die Schule schicken können.

Während die USA und Bundesaußenminister Guido Westerwelle die Hamas beschuldigten, den derzeitigen Schlagabtausch angezettelt zu haben und Israel "das Recht auf Selbstverteidigung" zugestanden, argumentieren die Araber mit dem "Kriegsverbrechen" Israels, den Hamas-Kommandeur "außergerichtlich hingerichtet" zu haben. Dabei führt eine Aufrechnung der widersprüchlichen moralischen Rechtfertigungen beider Seiten zu nichts, zumal 17 palästinensische und 3 israelische Tote in keinem Verhältnis zu etwa 200 täglichen Toten in Syrien stehen.

Mursis zweischneidige Politik

Der Schlüssel zu der derzeitigen "Eskalation" dürfte in Kairo liegen. Präsident Mursi fährt eine zweischneidige Politik. Wegen Umsturz, Ausbleiben der Touristen und weiteren Gründen befindet sich Ägyptens Wirtschaft in einem desolaten Zustand. Ägypten ist heute mehr denn je auf die US-Finanzhilfe in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar angewiesen, damit das Volk nicht verhungert. Doch diese Hilfe ist an den Friedensvertrag mit Israel geknüpft.

Israelische Soldaten in Al-Jalameh in der Westbank.

Israelische Soldaten in Al-Jalameh in der Westbank.

(Foto: AP)

Mursi hat zwar seit seiner Wahl zum Präsidenten das Wort "Israel" nicht über seine Lippen gebracht, aber streng darauf geachtet, Israel nicht zu provozieren. Vor einem Monat erst entsandte er einen neuen Botschafter nach Tel Aviv. Gleichzeitig muss der neue Pharao am Nil, mehr als sein gestürzter Vorgänger Hosni Mubarak, Rücksicht auf die feindseligen Gefühle seiner Bevölkerung gegen Israel nehmen.

Denkbar ist daher, dass Mursi die Hamas, eine Tochterorganisation der ägyptischen Muslimbrüder, zu dem verstärkten Raketenbeschuss auf Israel animiert hat, um den Israel-Hass der ägyptischen Bevölkerung unter Kontrolle halten zu können. Auffällig ist, dass Mursi sehr schnell und überraschend seinen Botschafter unmittelbar nach der Tötung von Dschabari aus Tel Aviv abberufen hat und dem israelischen Botschafter in Kairo dringend "empfohlen" worden ist, noch in der Nacht "aus Sicherheitsgründen" Ägypten zu verlassen.

Nur aus diesem gesamt-nahöstlichen Kontext lässt sich derzeit die Politik der Hamas erklären, die israelische Bevölkerung mit einem Raketenregen zu terrorisieren und mit dem Beschuss Tel Avivs und Jerusalems wohlbekannte "rote Linien" zu überschreiten. Die Hamas weiß, dass Raketen auf israelische Großstädte und weitere Tote einen israelischen Einmarsch unabwendbar machen. Das hat nichts mit dem israelischen Wahlkampf zu tun, sondern ist landesweiter Konsens.

Die Hamas weiß aber auch, dass eine israelische Bodenoffensive für sie fatale Folgen haben würde und einem "Selbstmord" gleich käme. Aus diesem Grund allein liegt es nahe, dass die massive Provokation Israels mit Raketen aller Wahrscheinlichkeit nach keine Eigeninitiative der Hamas ist, sondern eher eine Idee Ägyptens.

Ebenso kommt auch Israel ein Krieg höchst ungelegen, nachdem es sich seit Ausbruch des "Arabischen Frühlings" ruhig, schweigsam und neutral verhalten hatte, um nicht unnötig in das gewalttätige Chaos in der arabischen Welt hineingezogen zu werden. Genau das hat jetzt die Hamas vollbracht.

Quelle: ntv.de

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