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Zwischenruf Keinen Turban aufsetzen!

Ein deutscher Lkw passiert die Grenze zu Dänemark.

Ein deutscher Lkw passiert die Grenze zu Dänemark.

(Foto: dpa)

Die europäische Einigung ist sicher nicht perfekt. Aber sie ist ein wertvolles Gut. Das nationalistische Getöse, das die griechische Bankenkrise begleitet, und die Wiedereinführung von Grenzkontrollen durch Dänemark sind Anlass zu großer Sorge.

Allen Warnungen aus Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten zum Trotz wird nun wieder an . Der Schritt des Königreichs ist ein Rück-Schritt. Gehört doch die Reisefreiheit zwischen den meisten europäischen Staaten zu den Grundpfeilern des Selbstverständnisses der EU und darüber hinaus weiterer Staaten des Kontinents.

Es wird wieder geschnüffelt an der Grenze.

Es wird wieder geschnüffelt an der Grenze.

(Foto: dpa)

Dänemark will mit dieser Maßnahme der Kriminalität und dem Zuzug illegaler Einwanderer Einhalt gebieten. Es bleibt abzuwarten, ob es – messbare – Ergebnisse gibt. Andernfalls fürchten viele, könnte die rechtsgerichtete Dänische Volkspartei (DVP) fordern, die jetzt nur stichprobenartigen Kontrollen zur ständigen Einrichtung zu machen. Nach welchen Kriterien wird eigentlich verlangt, "stichprobenartig" Papiere vorzuweisen und den Kofferraum zu öffnen? Es steht zu befürchten, dass vor allem Menschen mit dunkler Hautfarbe betroffen sind. Passen Sie auf, dass Sie nicht schon gebräunt in den Urlaub nach Dänemark fahren! Und keinen Turban aufsetzen!

Apropos Urlaub: Der Tourismus ist ein wichtiger Industriezweig des kleinen skandinavischen Landes. Deutsche Urlaubsreisende würden aber nicht behelligt, heißt es beschwichtigend aus Kopenhagen. Und wenn der Inhaber eines deutschen Passes einen afrikanischen Vater oder eine asiatische Mutter hat? Oder türkischer Abstammung ist?

Beiderseits der deutsch-dänischen Landgrenze ist die Furcht vor wirtschaftlichen Einbußen groß. Erste Boykottaufrufe von CDU-Politikern mögen vielleicht verpuffen. Doch geht jetzt ein überwunden geglaubter Riss durch Schleswig-Holstein und Jütland, zwischen dem dänischen Sjæland und dem schwedischen Skåne. Weitere können folgen: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich auf ihrem jüngsten Gipfel in Brüssel darauf geeinigt, mehr Ausnahmen bei Grenzkontrollen zuzulassen. So soll künftig in "wahrhaft kritischen Situationen” wieder kontrolliert werden können. Dänemark befindet sich derzeit kaum in einer "wahrhaft kritischen Situation”. Doch machen es schwammige Formulierungen wie diese der dänischen Regierung leichter sich zu rechtfertigen.

Die europäische Einigung ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. Doch sie ist ein wertvolles Gut. Das nationalistische Gerangel um die griechische Bankenkrise und der dänische Sonderweg sind Anlass zu großer Sorge. Es sollte zu denken geben, wenn die deutschen Neonazis von der NPD ihren dänischen Gesinnungskumpanen von der DVP zujubeln. Im November wählen die Dänen den braunen Spuk hoffentlich ab.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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