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Pro Atomkraft Kernenergie nicht aufgeben

Kernenergie darf als wichtiger Bestandteil der Energieversorgung nicht vorschnell aufgegeben werden. Dabei geht es nicht nur um die Kosten und Zuverlässigkeit unserer Stromversorgung. Deutschland ist durch hohe Sicherheitsstandards und wissenschaftliches Know-How ein Vorreiter. Diese Rolle wäre durch einen Ausstieg gefährdet. Ein Pro für Kernkraft in Deutschland, das Contra finden Sie hier.

Know-How aufgeben? Brennelemente-Becken im AKW Krümmel.

Know-How aufgeben? Brennelemente-Becken im AKW Krümmel.

(Foto: dpa)

Die gewaltige Naturkatastrophe, die das japanische Volk am letzten Freitag getroffen hat, zerstörte durch eine verheerende Kombination von Erdbeben und Flutwelle große Landstriche in Japan und brachte unvorstellbares Leid über die Menschen. Die stolze Technologienation Japan ist schwer getroffen. Ich denke, wir können uns nur schwer eine Vorstellung von dem menschlichen Leid und den Zerstörungen machen.

Doch damit leider nicht genug: Die Kernkraftwerke am Standort Fukushima I wurden von dem Erdbeben und der Flutwelle derart beschädigt, dass ein Großteil der Kühlsysteme der Reaktoren sowie der Infrastrukturen in der Umgebung des Kraftwerkstandorts ausgefallen sind. Die Bilder, die uns über die Medien erreichen, geben Grund anzunehmen, dass das Schlimmste eintreten könnte. Zurzeit tritt starke Radioaktivität aus.

Kernenergie deckt heute in Deutschland etwa 22 Prozent des von uns genutzten Stroms ab. Die Kernkraftwerke in Deutschland sind sicher – sie gehören zu den sichersten Anlagen der Welt. Das Fachpersonal in den Kraftwerken ist geschult und verantwortungsbewusst, wir haben sehr hohe Sicherheitsstandards. Die kerntechnische Lehre an unseren Hochschulen ist exzellent. Unsere Forschung ist führend, oftmals federführend.

Japan und die Folgen

Argumente Kosten und Versorgungssicherheit: Das Kernkraftwerk Neckarwestheim.

Argumente Kosten und Versorgungssicherheit: Das Kernkraftwerk Neckarwestheim.

(Foto: dapd)

Heute sehen wir uns am Tag 8 nach Fukushima. Und müssen uns neue Fragen stellen.

Können wir sichere Kernkraftwerke bauen? Können wir alle Ereignisabläufe erdenken und Sicherheitssysteme entwickeln, die auch allen kommenden, realen Ereignisabläufen entsprechen? Wir müssen uns mit der Frage konfrontieren: "Haben wir das Undenkbare in unsere technischen, regulativen und politischen Annahmen, Fakten und Entscheidungen einbezogen?" Kennen wir die Grenzen, die uns die Natur zeigt? Oder noch zeigen wird?

Als Wissenschaftsmanager bin ich der Überzeugung, dass wir kerntechnische Einrichtungen nicht isoliert von einem ganzheitlichen Energiekonzept für Deutschland und auch nicht isoliert von unseren europäischen Nachbarn betrachten dürfen. Kernenergie ist ein maßgeblicher Bestandteil unserer Energieversorgung in Deutschland, der nicht vorschnell und unüberlegt herausgenommen werden sollte.

Wollen wir verzichten?

Dr. Joachim Knebel arbeitet am Karlsruher Institut für Technologie. Dort ist er Sprecher für Kernenergie und Sicherheit. Knebel hat selbst im Forschungszentrum von Tokai in Japan gearbeitet.

Dr. Joachim Knebel arbeitet am Karlsruher Institut für Technologie. Dort ist er Sprecher für Kernenergie und Sicherheit. Knebel hat selbst im Forschungszentrum von Tokai in Japan gearbeitet.

(Foto: KIT/privat)

Bei der Entwicklung von Energieszenarien ist es nicht entscheidend sich ein ehrgeiziges Ziel zu setzen und dann den Weg dorthin zu extrapolieren. Es ist entscheidend, sämtliche technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Randbedingungen – aber auch die Grundgesetze der Thermodynamik – sehr sorgfältig zu berücksichtigen. Für diese Betrachtung sind Stichworte wichtig wie: Zeitverfügbarkeit und Fluktuation von Energieanlagen, Speicherung von Energie und Strom in bisher nicht vorstellbaren Größenordnungen, leistungsfähige Energieverteilungsnetze, Importabhängigkeit, Klimadiskussion. Wann wird welche Technologie marktreif sein? Ist der Anstieg unseres Stromverbrauchs im letzten Jahr von etwa 3,6 Prozent über alle Kundengruppen auch in Zukunft machbar und sinnvoll? Die Worte Einschränkung und Kosten werden für jeden Einzelnen von uns neue Bedeutung erlangen. Dabei wird es sicher nicht immer einfach sein, Wunschdenken und Machbares redlich auseinander zu halten. Chancen und Risiken überlegt abzuwägen.

Es ist entscheidend, Deutschland als Vorbild zu nutzen und entschlossen voranzuschreiten. Als Ingenieur und Wissenschaftler, der in zahlreiche internationale Beratungs- und Entscheidungsgremien gebeten wurde, bin ich der Überzeugung, dass ein industriell und technologisch hoch entwickeltes Land wie Deutschland in der Entwicklung und Umsetzung von Energieszenarien und auch der Kernenergie international sprechfähig sein muss. Diese Sprechfähigkeit und die damit verbundene Glaubwürdigkeit werden wir von unseren Nachbarn nur dann zugesprochen bekommen, wenn wir aktiv an einer solchen Technologie arbeiten und teilnehmen. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das entlang der drei strategischen Handlungsfelder Forschung, Lehre und Innovation exzellente Leistungen für unser Land erbringt, sehe ich mich in der Pflicht, in die Zukunft zu blicken und ganzheitliche Lösungen zu erarbeiten. Hier werden uns höchste wissenschaftliche, technologische und gesellschaftspolitische Leistungen in den unterschiedlichsten Disziplinen abverlangt werden. Vor allem in den Natur-, Ingenieur- sowie den Geistes- und Sozialwissenschaften.

Erkenntnisse nutzen

Zurück zu Japan: Das KIT hat federführend für die Helmholtz-Gemeinschaft insgesamt sechs Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit den Auswirkungen der Naturkatastrophen in Japan auf die Kernkraftwerke beschäftigen. Ziel ist die Zusammenfassung der wissenschaftlichen Expertisen, um für die Politik, die Medien und die Bürger wesentliche Fragen zu den aktuellen Ereignissen beantworten und bestmöglich bewerten zu können.

Für eine Neubewertung der Kerntechnik in Deutschland bedeutet das, dass wir Ereignisse und Grenzwerte neu denken und definieren. Unsere Expertise bildet einen Stein in dem Fundament, auf das neue Entscheidungen für Deutschland gebaut werden können. Unsere ganzheitlichen Lösungsvorschläge können dann – mit dem erforderlichen Augenmaß – von den Entscheidungsträgern in Deutschland aufgegriffen und in Entscheidungen für unser Land überführt werden.

Quelle: ntv.de

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