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Schwarz-gelbe Selbstdemontage Kinderquatsch mit Angela

Die Familienpolitik der Regierung Merkel ist ein Widerspruch in sich.

Die Familienpolitik der Regierung Merkel ist ein Widerspruch in sich.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Ein erledigt geglaubtes Problem holt Kanzlerin Angela Merkel wieder ein: Die Koalition streitet erneut über das Betreuungsgeld. Es entsprang einst einem der schwarz-gelben Notgipfel, sollte die CSU ruhigstellen. Dabei ist die Idee Unfug. Die Regierung sollte die Kräfte lieber für ein sinnvolleres Projekt bündeln: den bundesweiten Ausbau der Kita-Plätze.

Es geht schon wieder los: Wenige Wochen vor den richtungsweisenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zoffen sich CDU, CSU und FDP wie die Kesselflicker. Neben der Frage, wie steigenden Spritpreisen begegnet werden soll, bricht in der Regierung ein alter Graben wieder auf, den Kanzlerin Angela Merkel schon als zugebuddelt wähnte: der Streit um das Betreuungsgeld, auch "Herdprämie" genannt.

Als Rösler, Merkel und Seehofer im November die Ergebnisse ihres Gipfels vorstellten, standen Steuersenkungen im Vordergrund.

Als Rösler, Merkel und Seehofer im November die Ergebnisse ihres Gipfels vorstellten, standen Steuersenkungen im Vordergrund.

(Foto: picture alliance / dpa)

Worum geht es? Ab 2013 soll jeder, der seinen Nachwuchs zuhause betreut - sei es selbst oder durch eine Kinderfrau oder die Oma in der Nachbarschaft - einen pauschalen monatlichen Bonus von 150 Euro bekommen. Die Maßnahme gilt seit Jahren als Lieblingsprojekt der CSU. Schon in der Großen Koalition wurde sie auf Druck der bayerischen Union als Ziel formuliert, ebenso findet sie sich im schwarz-gelben Koalitionsvertrag wieder. CDU, SPD und FDP hielten schon damals nicht besonders viel von dem Plan.

Zuletzt stand das umstrittene Projekt bei einem Koalitionsgipfel im November 2011 auf der Agenda. Damals musste eine Einigung her: Merkel wollte zeigen, dass ihre Regierung noch zum Regieren in der Lage ist. Und die FDP wollte zeigen, dass sie - auch damals schon ein Umfragezwerg in der Dauerkrise - sich doch noch mit Inhalten durchsetzen kann. Heraus kam politischer Murks. Denn einer nutzte die Bredouille der anderen als Vehikel: CSU-Chef Horst Seehofer. Damit er den Steuerplänen der Liberalen zustimmt, sollten die dem Betreuungsgeld zustimmen. Merkel war es recht, eine lange umkämpfte Front machte ihr damit zunächst einmal keine Sorgen mehr.

Falsche Signale

Wie kurzfristig das von Angela Merkel gedacht war, zeigt das zurückliegende Wochenende. 23 CDU-Abgeordnete machen klar: Einen Unsinn wie das Betreuungsgeld machen sie nicht mit. Weitere Unionsleute wollen sich dem Boykott anschließen, die Liberalen signalisieren: Auch sie hängen nicht an dem Projekt. Jetzt, da ein Gesetz zum Betreuungsgeld in die heiße Phase gehen müsste, um bis 2013 in Kraft zu treten, steht das Projekt wieder auf dem Prüfstand.

Der Staat muss deutlich machen: Wer sein Kind in eine Kita gibt, vernachlässigt es nicht.

Der Staat muss deutlich machen: Wer sein Kind in eine Kita gibt, vernachlässigt es nicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Und das zu Recht. Denn kontraproduktiver kann eine Idee kaum sein. Seit Jahren beklagen sich alle über die Parteigrenzen hinweg, dass Frauen im Beruf zu wenig verdienen, bei Beförderungen außen vor bleiben, die Spitzen der Unternehmen fast ausschließlich mit Männern bestückt sind. Grund dafür ist, und auch da sind sich eigentlich alle einig, dass aus Frauen Mütter werden und Mütter in vielen Regionen Deutschlands zu Hause bleiben müssen, um sich um die Kinder zu kümmern. Will man ihnen helfen, im Beruf nicht den Anschluss zu verlieren, muss man ihnen also die Möglichkeit geben, zu arbeiten und dabei nicht das Gefühl zu haben, ihren Nachwuchs im Stich zu lassen.

Das Betreuungsgeld bewirkt genau das Gegenteil. Indem der Staat diejenigen belohnt, die sich gegen den Beruf und fürs Zuhausebleiben entscheiden, signalisiert er: Wer letztere Option wählt, verhält sich richtig. Derjenige, der sein Kind in fremde Obhut gibt, vernachlässigt dagegen seine Erziehungspflichten. Der Kampfbegriff der "Rabeneltern" schwebt stets über dieser Debatte – eine fatale Wirkung.

Familienpolitik als Widerspruch in sich

Das Betreuungsgeld ist ein Konzept von gestern. Seit Jahrzehnten verzweifeln Generationen von jungen Familien über der Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen und dabei ihrer Verantwortung als Eltern nachkommen können. Eine Finanzspritze von 150 Euro im Monat löst diese Frage nicht. Soll das Betreuungsgeld ein volles – oder zumindest ein halbes - Gehalt ersetzen, müsste deutlich mehr fließen. Und dafür dass diese 150 Euro kaum etwas bewirken, wird das Projekt bei Umsetzung ziemlich teuer. Berechnet werden für 2013 400 Millionen, ab 2014 dann jährlich 1,2 Milliarden Euro.

Mit dem Geld könnte man Besseres anstellen. Zum Beispiel dafür sorgen, dass ein anderes Vorhaben von Schwarz-Gelb in Gang kommt: der flächendeckende Ausbau der Kinderbetreuung bis zum kommenden Jahr. Dass hier auch demografische Potenziale schlummern, beweist ein Blick in die Nachbarschaft. Ab August 2013 haben Kinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Für ein Drittel der Kleinen sollen Plätze geschaffen werden.

Dass der Kita-Ausbau und das Betreuungsgeld parallele Ziele der Bundesregierung sind, lässt jeden vernunftbegabten Menschen nach Luft schnappen und den Kopf schütteln. Die "Logik": Wir investieren ein Haufen Geld in Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder, wir geben aber auch einen Haufen Geld dafür aus, dass Eltern sie nicht in Anspruch nehmen. Dieser Widerspruch ist die Bankrotterklärung schwarz-gelber Familienpolitik.

Geld an anderer Stelle besser aufgehoben

Es wird Zeit, dass sich die Regierung von einer der beiden Ideen verabschiedet, am besten freilich von der unsinnigen der beiden, dem Betreuungsgeld. Echte Wahlfreiheit für junge Eltern bringen nämlich nur mehr Betreuungseinrichtungen. Und da gibt es genügend Defizite, die noch aus der Welt geschafft werden müssen, bis im Sommer die ersten Klagen drohen.

Erst vor wenigen Tagen schlug der Städte- und Gemeindebund Alarm, bundesweit fehlten noch 200.000 Betreuungsplätze. Es mangelt an Einrichtungen und Erzieherinnen, kurzum: bisher am politischen Willen, die hehren Ziele in wirklich in die Tat umzusetzen.

Innerhalb eines Jahres ist das vermutlich nicht mehr aufzuholen. Doch mit einem - auch finanziellen - Kraftakt könnte sich das in den folgenden Jahren ändern. Dazu würden die Verwaltungen die für die "Herdprämie" eingeplanten Mittel ganz gut gebrauchen können. Doch solange Entscheidungen durch so fragwürdige Deals zustande kommen wie beim Betreuungsgeld, besteht wenig Hoffnung.

Quelle: ntv.de

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