Opposition zwingt zur Transaktionssteuer Merkel biegt links ab
21.06.2012, 18:37 Uhr
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Grüne und SPD trotzen der Regierung die Transaktionssteuer ab. Das Projekt kann nur dann erfolgreich sein, wenn es sich international durchsetzt. Deutschland muss sich damit an die Spitze einer linken Bewegung setzen. Die Opposition erreicht ihr Ziel, die Koalition muss den harten Kurswechsel verteidigen.
Es ist eine dicke Kröte, die die Regierung nun hinunter bekommen muss. Die selbsternannte Steuersenkungspartei FDP und die an die Marktwirtschaft geketteten Unionsparteien bekennen sich zu einer neuen Steuer, die nicht nur Geld bringen, sondern vor allem ordentlich Sand ins Getriebe der Finanzmärkte schaufeln soll. Die Opposition hat den Druck, der auf der Kanzlerin derzeit lastet, geschickt ausgenutzt und ihr , mit dem Konservative und Liberale lange nichts anfangen konnten. Diese bekommen nun eine Position aufgezwungen, die seit Jahren von Gruppen wie Grüne, Linkspartei, Gewerkschaften und Attac vertreten wird.
US-Ökonomen brachten schon 1972 eine Steuer auf Börsengeschäfte ins Gespräch. Vereinfacht gesagt funktioniert sie wie eine Mehrwertsteuer auf den Handel mit Finanzprodukten wie Aktien, Anleihen oder hoch spekulative Papiere.
Sie würde diese Geschäfte verteuern und somit Spekulation einzudämmen. Außerdem würde der Finanzsektor mit den Steuereinnahmen an den Kosten der Krise beteiligt, die maßgeblich von ihm ausgelöst worden war. Zudem soll die Steuer den so genannten Hochfrequenzhandel begrenzen, bei dem Computer innerhalb von Sekundenbruchteilen Aktien kaufen und wieder verkaufen. Spekulanten wollen so an minimalen Kursunterschieden Geld verdienen, können aber damit auch Börsenturbulenzenverstärken.
Gegner der Abgabe führen vor allem zwei Argumente an: Sie sehen in der Finanztransaktionssteuer eine Wachstumsbremse, und sie funktioniere nur dann, wenn sie weltweit eingeführt werde. Andernfalls würden die Geschäfte nämlich dort gemacht, wo die Steuer nicht anfällt.
Von Steuererhöhungen oder gar neuen Steuern stehe nichts im Koalitionsvertrag, hatte die FDP-Spitze entgegnet, wenn in den vergangenen Jahren einzelne Unionspolitiker laut über die Finanztransaktionssteuer nachdachten. Und die Steuer tut das Gegenteil von dem, was in der liberalen Ideologie gewollt ist: Sie greift in die Marktkräfte ein. Den FDP-Wählern wird es schwer zu vermitteln sein, dass der Staat nun eine Steuer auf den Handel mit Wertpapieren erhebt. Wenn von Abgaben mit Steuerungswirkungen die Rede ist, fürchten viele Unternehmer reflexartig, dass ihre wirtschaftliche Freiheit beschnitten wird.
Doch die Angst ist unbegründet: Die Steuer, die zwischen 0,01 und 0,1 Prozent auf den Handel mit Finanzprodukten betragen wird, wird sich im Alltag von Bürgern oder mittelständischen Unternehmern nicht bemerkbar machen. Eine Auswirkung hat sie nur auf Banken und Fonds, die per automatisiertem Computerhandel in Sekundenbruchteilen Wertpapiere kaufen und verkaufen. Dieser Hochfrequenzhandel wird für nervöse Kurssprünge an den Börsen verantwortlich gemacht und soll darum abgebremst werden.
Merkel muss die Steuer ins Ausland exportieren
Die Kritiker der Steuer verweisen allerdings auf ein Problem, das nicht von der Hand zu weisen ist: Die Finanzmärkte sind stark globalisiert. Spekulanten, die ihr Geschäftsmodell im Hochfrequenzhandel sehen, könnten darum leicht auf Börsen ausweichen, in denen es keine Transaktionssteuer gibt - also etwa nach London, New York oder Tokio. Damit die Steuer ein Erfolg wird, müssen also zumindest die Länder mitziehen, in denen sich die großen Finanzzentren befinden. Das wird auch Angela Merkel so sehen und dafür ihre diplomatischen Hebel in Bewegung setzen.
Deutschland muss sich also international an die Spitze der Transaktionssteuer-Initiative setzen, was für diese Initiative ein Glücksfall ist: Die Verhandlungsmacht Deutschland ist derzeit enorm stark, kaum ein Land hat so viel Möglichkeiten, Politik außerhalb der eigenen Grenzen zu gestalten. Großbritannien, die USA und Japan von der Steuer zu überzeugen wird natürlich dennoch ein hartes Stück Arbeit, zumal sich die Finanzmärkte mit all ihrer Macht gegen das Vorhaben wehren werden.
Doch die zweite Reihe bei Union und FDP wird sich kaum wohl dabei fühlen, dass die von ihnen gewählte Kanzlerin als Botschafterin für ein linkes Projekt durch die Welt reist. Der Streit an der Basis ist mal wieder vorprogrammiert. Umso größer ist die Überwindung der Kanzlerin einzuschätzen und umso größer der Erfolg der Opposition.
Quelle: ntv.de