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Das Biosprit-Desaster Merkels Strategie scheitert

Problemsprit? Eigentlich vertragen 90 Prozent aller Autos E10.

Problemsprit? Eigentlich vertragen 90 Prozent aller Autos E10.

(Foto: dapd)

Am Ende sollten alle als Gewinner dastehen, doch es gibt nur Verlierer: Die Politik hat die E10-Einführung verbockt, weil sie Autoindustrie und Ölkonzerne schonen wollte. Ausbaden müssen das die Autofahrer und der Klimaschutz. Und Umweltminister Röttgen zeigt einmal mehr, wie schwach er ist.

Es hätte so schön sein können: Als die EU 2007 auf dem Weg zu einem besseren Klimaschutz die Autoindustrie ins Visier nahm und sie mit strengeren Vorgaben zu größerem Umweltschutz zwingen wollte, stellte sich die Bundesregierung schützend vor die deutschen Autobauer. Die damalige Klimakanzlerin Angela Merkel wollte aber nicht als Umweltsünderin dastehen und ersann die Idee mit dem Biokraftstoff, um Brüssel gnädig zu stimmen. Das Kalkül: Autobauer und Mineralölkonzerne werden geschont, der CO2-Ausstoß reduziert, Bauern verdienen mehr Geld und nebenbei sinkt die Abhängigkeit von Ölimporten aus dem arabischen Raum. Biosprit sollte die goldene Brücke zum Klimaschutz im Straßenverkehr sein, ohne Verlierer zurückzulassen. Wie Hoffnung täuschen kann.

Die Einführung des Biosprits war eine politische Entscheidung. Die Bundesregierung wollte verhindern, dass die deutschen Autokonzerne zu einer umfassend klimafreundlichen Umstellung gezwungen werden und zum Beispiel deutlich sparsamere Autos oder Elektromotoren produzieren müssen. Mit dem Biokraftstoff konnte alles so bleiben wie es ist – Bauweise, Motoren, Verbrauch. Trotzdem wurde die Umwelt geschützt. Auch für die Mineralölkonzerne änderte sich nicht viel. Es musste nur mehr pflanzlicher Alkohol in den Tank gemischt werden.

EU gibt den Rahmen vor ...

Wie viel genau, das lag wiederum in der Hand der Bundesregierung. Die EU gab lediglich die großen Ziele vor. Bis 2020 muss der Anteil von Biokraftstoffen am Energieverbrauch im gesamten Verkehr 10 Prozent betragen. Der Weg dorthin bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen: Biokraftstoffe können etwa in einem Motor verbrannt oder als Biomasse zur Stromerzeugung bei Elektroautos genutzt werden, was viele Experten für die effektivere und umweltfreundlichere Technologie halten.

Deutschland entschied sich für den E10-Weg ab 2011 und setzte damit auf einen Klimaschutz, dessen Wirksamkeit umstritten ist. Zum einen, weil die Einspareffekte von CO2 angezweifelt werden und die Energiegewinnung als nicht besonders effizient gilt. Zum anderen, weil der Anbau von Biosprit-Pflanzen auf Kosten von Nahrungsmittelanbau gehen könnte.

... Deutschland füllt ihn aus

Doch die Bundesregierung hielt an ihrem Weg fest, auch nachdem der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel 2008 den Biosprit stoppte. "Die Umweltpolitik wird nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass Millionen von Autofahrern an die teuren Super-Plus-Zapfsäulen getrieben werden", begründete er damals das Aus für E10. Die Risiken für die Motoren der Autos waren nicht glasklar bekannt, Gabriel fürchtete eine kollektive Verunsicherung. Sein Nachfolger Norbert Röttgen hat daraus nichts gelernt. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat mit ihrem Kommunikationsdesaster die Autofahrer zu Super-Plus getrieben, weil sie die Einführung nicht mit einer umfassenden Aufklärungskampagne verbunden hat. Schließlich vertragen über 90 Prozent der Autos E10. Röttgens hilfloser Hinweis auf einen Flyer seines Ministeriums ist nur ein weiterer Beleg für dieses Manko.

Zuständig, aber nicht handlungsfähig: Umweltminister Röttgen lässt sich von Brüderle die Show stehlen.

Zuständig, aber nicht handlungsfähig: Umweltminister Röttgen lässt sich von Brüderle die Show stehlen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Röttgen schiebt die Schuld für das Desaster nun ebenso wie seine Kabinettskollegen Rainer Brüderle und Peter Ramsauer der Mineralölindustrie zu. "Es ist Aufgabe der Mineralölwirtschaft, ihre Kunden über das zu informieren, was sie verkaufen", sagte der Wirtschaftsminister. In diesem Fall hat sie den Schwarzen Peter allerdings nicht verdient. Die Konzerne setzen um, was die Politik ihnen vorgibt – wenn auch nur widerwillig. Dass es nicht Aufgabe der Ölkonzerne ist, Kunden zu informieren und Haftung für Motoren zu übernehmen, ist aus unternehmerischer Sicht verständlich. Ebenso ihr Interesse, die höheren Kosten weiterzugeben. Zumal die Politik ihnen den Spielraum dafür lässt.

Am ehesten könnte man noch der Autoindustrie vorwerfen, die ungeliebte Einführung von E10 vermasselt zu haben. Die Autobauer wissen schließlich, welches Fahrzeug den Biosprit verträgt und hätten diese Informationen weitergeben müssen. Zumal in anderen Ländern Ethanol in Benzin längst zur Tagesordnung gehört. In Frankreich etwa gibt es E10 bereits seit 2009. Doch sollte es in der Politik inzwischen angekommen sein, dass sich die Autobauer ohne Druck und Zwang nicht zu mehr Umweltschutz bewegen lassen.

Politische Verantwortung

Die E10-Einführung ist politisch gewollt, sie muss auch politisch verantwortet werden. Das trifft vor allem den zuständigen Umweltminister. Röttgen wirkt einmal mehr durchsetzungsschwach und konzeptlos. Nach Klimaschutz und Atomausstieg scheint er einer erneuten Niederlage entgegenzusteuern. Immerhin hat ihn der Wirtschaftsminister noch zu seinem "Benzin-Gipfel" eingeladen.

Doch auch die Kanzlerin muss sich fragen lassen, welche Strategie sie verfolgt. Es scheint einmal mehr eine halbherzige zu sein: Sie hat den E10-Kompromiss in Brüssel durch-, aber nicht in Berlin umgesetzt; sie lässt die öffentliche Demontage Röttgens durch Brüderle zu; und zwischen Elektromobilitätsgipfel und Biosprit-Debatte hat Merkel es versäumt, Transport und Verkehr in Deutschland auf umweltfreundliche Schienen zu bringen.

Denn das macht das E10-Desaster deutlich: Der umstrittene Biosprit kann nur eine Notlösung sein, eine Brückentechnologie, hin zu umweltfreundlichen Autos und Antriebstechniken. Dafür muss die Bundesregierung die Industrie aber zum Umsteuern zwingen. Bis der Markt es wegen steigender Ölpreise tut, wird es zu spät sein. Doch dass Merkel daran bislang scheitert, meint auch Autopapst Ferdinand Dudenhöfer: "E 10 ist ein Beispiel dafür, dass Deutschland keine Strategie hat, um auf umweltfreundliche Fahrzeuge und Kraftstoffe umzuschwenken".

Quelle: ntv.de

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