Ölkonzerne beschuldigen Ministerium Wer ist schuld am E10-Desaster?
04.03.2011, 11:34 Uhr
Zum an die Decke gehen: Die Verbraucher haben derzeit an der Tankstelle allen Grund, sich zu ärgern.
(Foto: REUTERS)
Die Einführung des Biokraftstoffs E10 ist ein Debakel. Niemand will den Bio-Sprit wirklich haben, und die Ölkonzerne haben die Umstellung ausgesetzt. Am Dienstag soll nun ein E10-Gipfel bei Wirtschaftsminister Brüderle Klärung bringen. Die Schuldfrage bleibt vorerst ungeklärt.
Wer in diesen Tagen in Süd- oder Ostdeutschland eine Tankstelle ansteuert, der bekommt möglicherweise skurrile Szenen zu sehen. Den Autofahrern vergeht schon bei der Anfahrt mit dem Blick auf die Preistafel die gute Laune. Das rasante Wirtschaftswachstum und die Staatskrisen im arabischen Raum haben den Preis für Rohöl auf mehr als 115 Dollar hochgetrieben. Das Resultat: Benzinpreise von 1,55 Euro und mehr. Fast so viel wie im Sommer 2008, als die Benzinpreise neue Höchststände erreichten.
Wütend werden viele Bürger aber, wenn sie rätselnd vor bis zu vier verschiedenen Arten an Superkraftstoff stehen. Der günstigste Kraftstoff für Otto-Motoren ist derzeit E10. Alles andere kostet derzeit Aufschläge zwischen fünf und zehn Cent. Das macht bei einer ganzen Tankfüllung schnell einen Unterschied von vier Euro und mehr.
Wer ist schuld?
Dennoch tanken die Konsumenten lieber das teurere Benzin und zeigen dem neuen Biokraftstoff die kalte Schulter. Die Gründe liegen in der großen Verunsicherung, die unter den Autofahrern herrscht. Und die hat ihre Wurzeln in einer katastrophalen Informationspolitik seit der Einführung des neuen Kraftstoffs. "Wir wissen überhaupt erst seit Mitte Dezember letzten Jahres, dass wir zehn Prozent Ethanol in den Kraftstoff einmischen können", sagt die Sprecherin des Mineralölwirtschaftsverbandes, Karin Retzlaff, gegenüber n-tv.de. Seitdem rollen die Tanklastzüge durch Deutschland, die E10 an die Tankstellen bringen.

Was hätten Sie denn gerne? Die Tankstellen zeigen sich mittlerweile als Gemischtwarenladen.
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Also war die Politik zu langsam? "Schuldzuweisungen bringen jetzt nichts", sagt Retzlaff. Allerdings sieht man bei der Lobby der Ölkonzerne die Schuld beim Bundesumweltministerium, das zu spät begann, die Einführung mit einer entsprechenden Verbraucherkampagne zu begleiten. Am 13. Januar brachte die Behörde unter der Führung von Minister Norbert Röttgen eine Verbraucherinformation heraus. Da waren allerdings die ersten Tankstellen schon auf den neuen Sprit umgestellt. Umweltminister Röttgen schiebt derweil den Schwarzen Peter an die Ölkonzerne weiter. Sollten die Anbieter künftig nur noch Super Plus mit 98 Oktan als Bestandsschutzsorte anbieten, dann, so der Minister, "können und müssen sie es billiger machen". Von einem im Gesetz verankerten Bestandschutz ist die Rede, den die Ölkonzerne missachten würden.
Öl-Lobby weist Schuld von sich
"Wir kommunizieren das seit Mitte Dezember", sagt Öl-Lobbyistin Retzlaff gegenüber n-tv.de. Der Aufschlag von mindestens vier Cent pro Liter für das alte E5-Benzin wird mit mangelnden Tankkapazitäten begründet. "Die Standardsorte für Otto-Motoren wird künftig E10 werden. An den Tankstellen werden die großen Tanks deshalb mit E10 gefüllt. Die kleineren bekommen SuperPlus und mehr Tanks gibt es nicht". Kein Platz also für den Sprit E5, deshalb ist es teurer.
Diese Logik verfängt nur bedingt, denn für die teuren Spezialsorten, die die einzelnen Ketten anbieten, finden sich noch Kapazitäten. Das mit weiteren Additiven angereicherte Superbenzin, das so exklusive Namen trägt wie "Exilium" oder "VPower", kostet bis zu zehn Cent mehr als das E10. Und dennoch tanken die Kunden selbst das derzeit lieber als den neuen Biokraftstoff.
Preisgestaltung ist ein Schlag ins Gesicht
Warum zahlen die Kunden lieber einen saftigen Aufschlag, anstatt den neuen Kraftstoff zu tanken? Das Zauberwort heißt Motorschaden. Davor haben alle Autobesitzer Angst, denn das bedeutet schnell das endgültige Aus für den teuren, fahrbaren Untersatz. Die Furcht davor haben vor allem Verbände wie der ADAC geschürt. Der rät schon seit Anfang Januar dazu, im Zweifelsfall lieber das alte E5 zu tanken. Wenn E10 fälschlicherweise getankt wurde, dann solle man den Tank auspumpen. Eine Katastrophe für Autobesitzer, denn das bedeutet hohe Kosten und stundenlanges Warten an der Tankstelle.
"Wir wollen auch die Einführung von E10", sagt Maximilian Maurer vom ADAC im Gespräch mit n-tv.de. "Doch die Verwirrung, die derzeit herrscht, können wir nicht gutheißen." Gleichzeitig wettert der Autofahrerclub gegen die Ölkonzerne. "Diese Preisgestaltung der Mineralölkonzerne ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen Autofahrer, die nach wie vor E5-Superbenzin tanken müssen, weil ihre Fahrzeuge den neuen Kraftstoff nicht vertragen", so ADAC-Präsident Peter Meyer. Die wollten nur ihre Gewinne maximieren.
Umweltministerium feuert aus dem Schützengraben
Bei diesem ganzen Verwirrspiel sind die Kunden am Ende die Dummen, weil sie fragend vor der Zapfsäule stehen und die Zeche zahlen. So oder so, denn auch wenn die Einführung gestoppt wurde, werden die Öl-Multis jeden Euro, den das Desaster mehr kostet, direkt an ihre Kunden weitergeben. Das Umweltministerium hält sich dazu bedeckt. Gegenüber n-tv.de war man zu keiner Aussage bereit. Das Röttgen-Ministerium vergräbt sich lieber im Schützengraben und schaut dabei zu, wie sich beiden Lobbyverbände aneinander abarbeiten. Der Minister selbst schiebt die Schuld weiter: "Das Durcheinander, das die Mineralölwirtschaft hier veranstaltet, ist nicht akzeptabel." Wirtschaftsminister Brüderle reicht es jetzt. Der bittet am Dienstag zum Benzingipfel. Dort soll das weitere Vorgehen abgestimmt werden.
Ob die E10-Einführung damit noch zu retten ist? Eigentlich finden sich kaum Befürworter für den Biosprit. Umweltverbände sehen die Lebensmittelpreise explodieren. Selbst der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland kann dem angeblich grünen Kraftstoff nichts abgewinnen. "Unter Einbeziehung aller Komponenten wären Agrokraftstoffe um 81 bis 167 Prozent klimaschädlicher als der herkömmliche fossile Sprit. Ihr Anbau zerstört indirekt Lebensräume, konkurriert mit der weltweiten Nahrungsmittelproduktion und verschlingt massenhaft Dünger", heißt es.
Mehr Verbrauch und weniger Leistung
Am Ende ist die Einführung von E10 ein totales Desaster, denn der neue Kraftstoff führt außerdem zu einem Mehrverbrauch von bis zu drei Prozent, so der ADAC. Gleichzeitig kostet er auch noch Motorleistung, denn die Energiedichte der Biokraftstoffe ist geringer als der von normalem Benzin. Ein K.o.-Kriterium in der Autofahrernation Deutschland.
Für die Politik dürfte das Thema im Superwahljahr 2011 noch sehr heikel werden. Denn die verärgerten Autofahrer könnten ihrem Frust in der Wahlkabine Luft machen. Und das dürfte für die ohnehin angeschlagene schwarz-gelbe Koalition schmerzhaft werden.
Quelle: ntv.de