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"Tank gegen Teller" Das Dilemma mit dem Biosprit E10

Der Streik der Verbraucher hat die Tankstellen vorerst lahm gelegt.

Der Streik der Verbraucher hat die Tankstellen vorerst lahm gelegt.

(Foto: dpa)

Autofahrer streiken, Interessensverbände streiten und über allem schwebt die Frage: Ist die Umstellung auf den neuen Biosprit E10 klimapolitisch der richtige Weg? Zudem scheint E10 wohl nur auf Kosten höherer Lebensmittelpreise zu haben zu sein.

Die Einführung des neuen Biosprits E10 ist gründlich misslungen: Autofahrer streiken, Umweltverbände mahnen, Mineralölfirmen sind sauer und erst einmal wird das ganze Projekt auf Eis gelegt. Nachdem verunsicherte Autofahrer sich in den ersten Bundesländern schlicht weigerten, den neuen Kraftstoff in den Tank zu füllen, wurde die weiteren bundesweite Einführung vorläufig gestoppt. "Das System platzt sonst", teilte der Mineralölwirtschaftsverband knapp mit. Das als Sieg der Verbraucher zu feiern, wäre aber verfrüht, denn nun soll erst einmal abgewartet werden, ob die Verbraucher den Sprit in den kommenden Tagen doch noch annehmen.

Denn auch wenn die Autofahrer weiterhin lieber das bis zu acht Cent teurere 98-Oktan-Benzin mit nur fünf Prozent Ethanol tanken wollen, wird es E5 bald nur noch in kleineren Mengen auf dem Markt geben. Um den Biosprit mit zehn Prozent Ethanol, E10 führt kurz- oder mittelfristig wohl kein Weg vorbei. Hintergrund der Einführung sind nämlich Regelungen von EU und Bundesregierung, mit denen höhere Biokraftstoffquoten durchgesetzt werden sollen. Kommen die Mineralölkonzerne dem nicht nach, drohen ihnen hohe Strafzahlungen. Bei jedem statt E10 verkauften Liter E5 sind dies 2 Cent, die anschließend auf die Kunden umgelegt werden.

Keine Alternative zu E10! Oder?

Essen oder Tanken?

Essen oder Tanken?

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Hauptziel der Regelung ist die Verringerung der Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Brennstoffen. Und da gibt es nach Meinung vieler Politiker keine Alternative zum Bioethanol, dies würden doch auch die jüngsten Ölpreisanstiege zeigen. "Wenn bereits durch eine Krise in einem eher kleinen Ölförderland wie Libyen der Ölpreis binnen kurzem um 15 US-Dollar steigt, zeigt das doch, wie sehr die Ressourcen sich dem Ende zuneigen", meint beispielsweise der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell, einer der Väter des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes in Deutschland. Bis 2020 soll daher EU-weit zehn Prozent des Energieverbrauchs im Straßenverkehr mit Öko-Energien abgedeckt werden.

Doch kann der neue Biosprit wirklich das halten, was er verspricht? Nicht ganz, denn es gibt einige Nachteile. Für die Fahrer der schätzungsweise drei Millionen Fahrzeuge, die E10 nicht vertragen, wird das Tanken um bis zu acht Cent pro Liter teurer, zudem ist der Benzinverbrauch bei E10 im Vergleich zum traditionellen Super höher. Und nicht zuletzt ist der Biokraftstoff auch aus ökologischen Gründen umstritten. Umweltverbände und der umweltorientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) warnen vor einer ungünstigen Klimabilanz.

Da Ethanol aus nachwachsenden Rohstoffen wie Getreide, Mais oder Zuckerrüben gewonnen wird, geben Pflanzen bei ihrer Verbrennung zwar nur das zuvor aufgenommene CO2 wieder ab – ein für sich genommen CO2-neutraler Vorgang, bestätigt der VCD. Doch diese Rechnung gehe nur dann auf, wenn für den Anbau der Energiepflanzen keine sensiblen Bereiche wie Wälder und andere natürlichen Ökosysteme in zusätzliches Ackerland verwandelt werden. Und damit ist man schon mitten in der "Tank gegen Teller"-Debatte. Denn eine Konzentration auf Energiepflanzen könnte die ohnehin derzeit hohen Lebensmittelpreise weiter ankurbeln, weil beispielsweise mehr Ackerflächen für die Maisproduktion benötigt werden.

"Sinnvolle Entscheidung"

Die Entscheidung für E10 sei sinnvoll, heißt es dagegen in einer gemeinsamen Pressemittelung des Deutschen Bauernverbandes und des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft. Der Biosprit leiste einen wichtigen Beitrag für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr und verringere die Importabhängigkeit der deutschen Energieversorgung. "Es stimmt nicht, dass für Bioethanol Wälder abgeholzt oder Torfmoore trockengelegt werden", betont zudem Norbert Schindler, Vorsitzender des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft. "In der EU gelten seit diesem Jahr strenge und weltweit wegweisende Nachhaltigkeitsvorschriften."

Die Konkurrenz zwischen der Produktion von Lebensmitteln und Bioethanol sieht der Präsident des Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, nicht. "In Europa sind Ackerflächen nicht knapp. Ganz im Gegenteil - in den nächsten Jahren werden durch Ertragssteigerungen und EU-Marktreformen 20 Millionen Hektar Ackerflächen frei. Da bietet die Bioethanolproduktion den Landwirten einen wichtigen zusätzlichen Absatzmarkt." Außerdem werde in der Diskussion unterschlagen, dass Bioethanolhersteller auch Futtermittellieferanten sind. "Bei der Bioethanolherstellung fallen gleichzeitig große Mengen an Futtermitteln an."

Lebensmittel oder Kraftstoffe

Doch die Argumente der Verbände können die E10-Gegner nicht überzeugen. Die Einführung von Biosprit war von Anfang an schlecht durchdacht, kritisiert beispielsweise der umweltpolitische Sprecher der FDP im Europäischen Parlament, Holger Krahmer. Durch E10 werde kein Gramm Kohlendioxid weniger ausgestoßen, der Kraftstoffverbrauch steige und "im schlimmsten Fall wird der Tank gegen den Teller ausgespielt." Aber wie lässt sich das Dilemma Bioethanol versus hohe Lebensmittelpreise auflösen?

"Es gibt keine klare Antwort auf dieses Dilemma, man muss einfach entscheiden, was einem wichtig ist", meint Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank. "Wenn das oberste Ziel der Politik die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen ist, dann ist Bioethanol unabdingbar", sagt Weinberg n-tv.de. Das sei aber mit niedrigen Lebensmittelpreisen nicht vereinbar. "In den USA findet beispielsweise bereits gut 40 Prozent der US-Maisproduktion Verwendung in der Ethanol-Herstellung. Da mittlerweile fast zwei Drittel der Maisexporte aus den USA stammen, wirkt sich das auf das globale Maisangebot aus und sorgt für steigende Lebensmittelpreise. Denn Anbauflächen sind nicht beliebig erweiterbar. Wo jetzt Raps oder Mais angebaut werden, könnte auch Weizen oder Soja angebaut werden."

Dass das Projekt E10 am Ende ist, glaubt Weinberg aber nicht. "Es gibt verbindliche Ziele in der EU, die auch die deutschen Tankstellenbetreiber erfüllen müssen. Kommen sie dem Beimischungszwang nicht nach, fallen Strafzahlungen an." Die Debatte um E10 wird dennoch noch lange anhalten, ist sich der Analyst sicher. Das liege auch daran, dass niemand sagen könne, was besser oder nachhaltiger sei. "Der CO2-Entlastung werden immer entsprechend weniger Nahrungsmittel gegenüber stehen. Das lässt sich nicht auflösen."

Quelle: ntv.de

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