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Zwischenruf Nahost: Die Region brennt!

Ein brennendes Auto in einem zerstörten Viertel bei Damaskus.

Ein brennendes Auto in einem zerstörten Viertel bei Damaskus.

(Foto: REUTERS)

Immer wieder wird vor dem Ausbruch eines Flächenbrandes in Nahost gewarnt. Doch das Feuer brennt grenzübergreifend schon lichterloh. Nur eine Friedenskonferenz kann eine Dauerkatastrophe verhindern. Die Bundesregierung täte gut daran, an ihrer Ablehnung von Waffenlieferungen an die Rebellen festzuhalten.

Das Wort vom drohenden Flächenbrand im Nahen Osten gehört seit Ausbruch der Proteste gegen das Damaszener Assad-Regime zu den meistgebrauchten Vokabeln. Jedoch: Nahost brennt schon in der Fläche! Mit dem Beschuss der schiitischen Hochburg Süd-Beirut und d em von Israel bislang nicht bestätigten Raketeneinschlag im Norden des Landes hat der Bürgerkrieg in Syrien endgültig die Grenzen des Landes überschritten.

Sunnitische und schiitische Gruppen liefern sich im Libanon immer wieder Kämpfe. Irakische Regierungstruppen haben Angaben aus Jemens Hauptstadt Sanaa zufolge bei Kämpfen entlang der Autobahn, die das Land mit Jordanien und Syrien verbindet, mehr als 30 Angehörige der Terrorgruppe Al-Kaida getötet. Diese wollten nach Syrien eindringen. Zuvor hatte die israelische Luftwaffe Stellungen nahe Damaskus beschossen, wobei es sich um Waffentransporte für die schiitischen Hisbollah-Milizen gehandelt haben soll. Hisbollah-Kämpfer sollen laut geheimdienstnahen Quellen aus Israel bereits an der Seite syrischer Regierungstruppen kämpfen. Dieselben Berichte sprechen davon, dass die Hisbollah Reservisten eingezogen hat.

Dass die Türkei, Katar und Saudi-Arabien die syrischen Rebellen mit Waffen versorgen, ist ausgemacht. Die Entscheidung Moskaus, bereits vor dem Ausbruch des Konflikts vertraglich vereinbarten Boden-L uft-Raketen an Syrien zu liefern, wirkt nicht gerade entspannungsfördernd. Zugleich liefert Russland Frankreich und Großbritannien als Befürworter von Waffenlieferungen an die Rebellen zusätzliche Argumente.

Radikalislamisten gewinnen Oberhand

Die Europäische Union täte gut daran, das Waffenembargo nicht aufzuheben. Gleich, ob die Meldungen über Gespräche von BND-Chef Gerhard Schindler mit dem syrischen Geheimdienst stimmen oder nicht: Die Spatzen im Berliner Parlamentsviertel pfeifen von den Dächern, dass die Bundesregierung sehr wohl erkannt hat, dass die Radikalislamisten unter den Assad-Gegnern immer mehr die Oberhand gewinnen.

Der deutsche Entschluss, sich aus dem Luftkrieg gegen Libyen herauszuhalten, war richtig. Die Lage in dem nordafrikanischen Land mit einer nahezu hundertprozentig sunnitischen Bevölkerung ist schon wegen der Clanfehden unverändert kompliziert genug. Eine offene Parteinahme des Auslands für irgendeine syrische Bürgerkriegspartei würde diese nur stärken und verheerende Folgen haben. Die Region ist im Unterschied zum arabischen Nordafrika ein unübersehbarer Flickenteppich zahlloser Konfessionen und Religionen, die einander nur allzu häufig feindlich gegenüberstehen.

Es macht Hoffnung, dass Russland und die USA Besonnenheit an den Tag legen und am Zustandekommen einer Friedenskonferenz arbeiten. Französische Tatarenmeldungen über den Einsatz von Giftgas durch die syrische Armee erinnern fatal an das Massaker von Račak, das der NATO auf dem Balkan als Rechtfertigung der Bombardierung Jugoslawiens diente.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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