Machtwechsel in Dänemark Neustart mit "Gucci-Helle"
16.09.2011, 11:49 Uhr
Helle Thorning-Schmidt ist die erste Frau an der Spitze einer dänischen Regierung.
(Foto: REUTERS)
Dänemark fährt in den kommenden vier Jahren mit Helle Thorning-Schmidt als neuer Ministerpräsidentin in die linke Richtung. Die Sozialdemokratin steht vor großen Herausforderungen. Sie muss die angeschlagene Wirtschaft wieder ankurbeln. Die Rechtspopulisten von Pia Kjærsgaard haben keinen Zugriff mehr auf die Regierungspolitik.
Lars Løkke Rasmussen war nur eine kurze Amtszeit als Ministerpräsident von Dänemark beschieden. 2009 erst hatte der 47-Jährige seinen Namensvetter Anders Fogh, der zur NATO ging, beerbt. Nun ist bereits alles vorbei. Die Dänen zeigten dem Premier und seinem von der rechtspopulistischen Volkspartei (DF) unterstützten Bündnis aus Rechtsliberalen (Venstre) und Konservativen buchstäblich die Rote Karte und entschieden sich - wenn auch nur mit knapper Mehrheit - für . Damit geht in unserem nördlichen Nachbarland auch eine lange Rasmussen-Ära zu Ende, denn vor den beiden Rechtsliberalen hatte von 1993 bis 2001 der Sozialdemokrat Poul Nyrup Rasmussen in Kopenhagen die Regierung geführt.
Die oft als bezeichneten Dänen waren zuletzt gar nicht mehr so glücklich mit ihrer Regierung. Venstre konnte sich zwar als stärkste Partei im Parlament (Folketing) behaupten und sogar noch einen leichten Zugewinn erzielen. Dagegen schmierten die Konservativen, die die freie Marktwirtschaft und einen schlankeren Sozialstaat propagieren, regelrecht ab und verloren mehr als die Hälfte ihrer Stimmen. Dies konnte auch die langjährige heimliche Ministerpräsidentin Pia Kjærsgaard mit ihrer etwas geschrumpften DF nicht mehr ausgleichen, zumal deren ausländer- und EU-feindlichen Ausfälle beim Wähler nicht mehr verfingen.
"Etwas ist faul im Staate Dänemark", heißt es in Shakespeares "Hamlet". Seine Bewohner sehen das genauso. Der Wirtschaftsmotor des kleinen Landes stottert derzeit gewaltig; die Zahl der Arbeitslosen steigt. Zudem hat auch Dänemark, das den Euro nicht eingeführt hat, mit einem wachsenden Haushaltsdefizit zu kämpfen. Damit rückte das jahrelang bestimmende Thema Ausländerpolitik, mit dem das Mitte-Rechts-Lager bislang punkten konnte, in den Hintergrund. Die Wiederaufnahme der zu Deutschland und Schweden, zu denen Kjærsgaard die Rasmussen-Minderheitsregierung getrieben hat, sind auch Dänemark umstritten.
Thorning-Schmidt hat das richtig erkannt und wird damit die erste Frau an der Spitze einer dänischen Regierung. Im Gegensatz zu Rasmussen wartete die stets elegant gekleidete 44-Jährige - deswegen wird sie von politischen Gegnern auch "Gucci-Helle" genannt - im Wahlkampf mit ziemlich konkreten Vorstellungen zur Ankurbelung der Wirtschaft auf. Und einige tun den Dänen auch weh. So ist Thorning-Schmidt für die Erhöhung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde und für Steuererhöhungen. Ihr Programm, das verstärkte öffentliche Investitionen vorsieht, stellt einen wirklichen Gegenentwurf zu dem Rasmussens, der gegen die Krise ansparen wollte, dar.

Pia Kjærsgaard ist mit ihrer rechtspopulistischen Truppe nicht mehr die Mehrheitsbeschafferin.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die neue Regierungschefin startet allerdings nicht fulminant. Bei den roten Jubelfeiern ging fast unter, dass ihre Sozialdemokraten ihr schlechtestes Wahlergebnis seit mehr als 100 Jahren eingefahren haben. Dagegen legten ihre kleineren Koalitionspartner, die Volkssozialisten (SF), die Sozialliberalen (Radikale Venstre) und die Linke Einheitsliste - ein Sammelsurium aus Grünen, Sozialisten und Kommunisten -, mitunter kräftig zu. Das macht für Thorning-Schmidt das Regieren nicht gerade leicht, zumal der sogenannte "Rote Block" auch nur über eine hauchdünne Mehrheit im Folketing verfügt.
Die Kooperation von Venstre und Konservativen mit Kjærsgaards Rechtspopulisten habe die politische Kultur in Dänemark kaputtgemacht, heißt es in der Zeitung "Jyllands Posten", die immerhin als rechtsliberal gilt. Es liegt nun an Thorning-Schmidt und ihrem schwierigen Bündnis, diese wieder aufzubauen.
Quelle: ntv.de