NSU-Prozess wird verschoben Notbremse war der einzige Ausweg
15.04.2013, 15:51 Uhr
Die Türen zum Schwurgerichtssaal 101 bleiben vorläufig für alle geschlossen.
(Foto: dpa)
Am Mittwoch sollte der NSU-Prozess beginnen. Allen Appellen zum Trotz hielten die Münchner Richter an ihrer Vergabe der Presseplätze fest - auch wenn ausländische Medien benachteiligt wurden. Nun müssen sie lernen, welche Qualitäten von einem Gericht in einem der wichtigsten Verfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte erwartet werden.
Am Ende blieb dem Oberlandesgericht München nur die Notbremse. Wenn der Staatsschutzprozess um die Mordtaten des NSU nicht von immer neuen Debatten um die Akkreditierung ausländischer Journalisten begleitet werden sollte, gab es keinen anderen Weg, als die Presseplätze neu zu vergeben. Das mussten schließlich auch Richter Manfred Götzl und OLG-Präsident Karl Huber einsehen.
Das NSU-Verfahren ist einfach zu wichtig, als dass man mit der Methode "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" und der Vorabinformation ausgewählter Pressvertreter für eine angemessene Berichterstattung sorgen könnte. Schon im Lauf der Ermittlungen war gemauschelt und gemauert worden, was das Zeug hält.
Nun geht es nur noch mit Transparenz. Dennoch ist es in höchstem Maße peinlich für das OLG München, dass erst das Bundesverfassungsgericht einschreiten musste, damit eines der wichtigsten Verfahren in der deutschen Rechtsgeschichte nicht vor die Hunde geht. Fast schon eine Randnotiz ist da die fortgesetzte Peinlichkeit, dass die Pressesprecherin des Gerichts die Verschiebung des Prozessbeginns zwar verkündet, aber keine Ahnung hat, was nun geschieht.
Nicht nur in Deutschland, auch in den Ländern, aus denen die Opfer des NSU stammten, gibt es ein öffentliches Interesse an der Wahrheitsfindung dieses Verfahrens. Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sie ja vor allem deshalb getötet, weil sie ausländische Wurzeln hatten. In den Heimatländern ihrer Vorfahren wollen die Menschen ebenso erfahren, warum Blumenhändler und Kiosk-Besitzer sterben mussten und warum deutsche Behörden den mordenden Nazis trotz jahrelanger Ermittlungen nicht auf die Spur kamen.
Oslo als Vorbild
Die juristische Aufarbeitung der NSU-Morde, die Befragung von Opfern, Zeugen und nicht zuletzt die der mutmaßlichen Täter muss sich an großen Verfahren der jüngsten und jüngeren Vergangenheit messen lassen. Zu Recht werden immer wieder die Verfahren im Zusammenhang mit der linksterroristischen Rote Armee Fraktion und der Prozess gegen Anders Behring Breivik in Oslo im vergangenen Jahr genannt. Auch hier handelten die Täter aus einer politischen Ideologie heraus mit dem Ziel, die demokratische Rechtsordnung anzugreifen. Auch hier standen Rechtssysteme vor der Herausforderung, Schuldsprüche für konkrete Taten zu finden und gleichzeitig zu zeigen, dass eine unabhängige Justiz fair und gerecht urteilt.
Während sich über die RAF-Verfahren sicher auch manch kritische Bemerkung machen ließe, kann der Breivik-Prozess als mustergültig angesehen werden. In Oslo agierten großartige Richter und Anwälte, die einen monströsen Angeklagten souverän in die Schranken wiesen und am Ende verurteilten. Über 1400 Journalisten aus aller Welt konnten davon professionell berichten.
Im Bemühen, ein wasserdichtes Verfahren vorzubereiten und jede juristische Unwägbarkeit zu bedenken, haben es die Münchner Juristen an genau jenem gesundem Menschenverstand und Fingerspitzengefühl fehlen lassen, das viele in Oslo erlebt haben. Den Preis dafür zahlen nun vor allem die Angehörigen der NSU-Opfer. Sie warten weiter auf den Prozessbeginn und auf Antworten.
Quelle: ntv.de