Zwischenruf Obamas Dilemma, Sarkozys Vabanque
21.03.2011, 13:55 UhrFrankreichs Präsident Sarkozy treibt mit aller Kraft die Angriffe auf Libyens Machthaber Gaddafi voran. Auch, um von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken. Doch Sarkozy könnte schon in Kürze sein wahres Gesicht zeigen - wenn die nächste Wahl ansteht.
Der Friedensnobelpreisträger Barack Obama hat zwei Kriege geerbt: den im Irak und den in Afghanistan. Nun hat er mit Libyen seinen eigenen. Doch so richtig will der US-Präsident ihn nicht. Er weiß, dass seine Demokratiepredigt von Kairo unglaubwürdig wirkt, wenn er nebenan in Tripolis Bomben werfen lässt. Das erklärt die widersprüchlichen Aussagen von US-Politikern und –Militärs über das Ziel der Luftangriffe und die verbale Zurückhaltung, wenn es um die Führungsrolle in der Operation geht. Beim Staatsbesuch in Brasilien erwähnt Obama den Luftkrieg mit keinem Wort. Den Part der ersten Geige überlässt er gern dem innenpolitisch am Boden liegenden Nicolas Sarkozy. Der französische Staatspräsident markiert international den starken Mann, um bei der rechten Wählerschaft zu punkten. Jene arabischen Staatenlenker, die den Mann im Palais d’Elysée jetzt so überschwänglich loben, werden spätestens dann aufwachen, wenn die Regierungspartei UMP vor den Präsidentenwahlen im nächsten Jahr ihre geplante Kampagne gegen islamische Einwanderer lostritt. Den Boden, den Sarkozy mit seiner gescheiterten Mittelmeerunion in der Region verloren hat, will er nun mit Bomben zurückgewinnen.
Obama muss sich dem Wählervotum zwar erst in zwei Jahren stellen. Im Unterschied zum Hasardeur von der Seine sieht sich Obama aber mit dem Dilemma konfrontiert, sowohl seine linksliberale Anhängerschaft als auch die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus und die Konservativen in den eigenen demokratischen Reihen hinter sich zu vereinen. Obama kann sich nicht auch noch Meldungen über getötete libysche Zivilisten leisten. Die aus Afghanistan sind mehr als genug. Nicht zuletzt die Kritik des Generalsekretärs der Arabischen Liga, Amr Mussa, an den ersten zivilen Opfern mahnt zur Zurückhaltung. Der Ex-Außenminister ist ein Mann der USA und aussichtsreicher Anwärter auf den ägyptischen Präsidentensessel. Die offiziellen Verlautbarungen aus Paris, man könne nicht bestätigen, dass es zivile Opfer gibt, wirken hilflos. Wie denn? Will Paris eine Beobachtermission in die tripolitanischen Hospitäler entsenden?
Trotz aller Anfeindungen aus dem Ausland und sogar den eigenen Koalitionsreihen zum Trotz, ist der deutsche Außenminister standhaft: No Germans to the front! Dabei sollte es bleiben. Spätestens dann, wenn der Luftkrieg über Libyen zum Bodenkrieg geworden ist, wird sich die Pariser "Le Monde" fragen müssen, ob Sarkozy und nicht Westerwelle die außenpolitische Reife fehlt.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de