"Online-Durchsuchung" Phantomdebatte
13.07.2007, 11:47 UhrVon Thomas Leidel
Seit einem halben Jahr geistert das Schlagwort "Online-Durchsuchung" durch die Sicherheitsdebatte. Innenminister Schäuble will sie unbedingt, die SPD ein bisschen, die Kanzlerin hat sich noch nicht festgelegt. Gelegentlich wird sogar kolportiert, es habe bereits insgeheim solche Durchsuchungen gegeben, mittels eines so genannten "Bundes-Trojaners".
Ob solche Durchsuchungen - wohlgemerkt: ohne, dass der Betroffene davon weiß! - nun wünschenswert, sinnvoll oder zielführend wären, sei einmal dahingestellt. Die Fachleute sind sich zumindest einig: technisch machbar sind sie ohnehin nicht.
Wie bitte? Technisch sowieso nicht machbar? Wie das? Und warum dann eigentlich die ganze Aufregung? Der Reihe nach.
Zuverlässiger Schutz vor "malware"
Jeder halbwegs Computeraffine weiß natürlich, dass es Schadsoftware gibt, die, einmal auf dem eigenen Rechner installiert, Unbefugten zugriff auf Daten ermöglicht. Jeder Computeraffine (und erst recht jeder potentielle Cyber-Terrorist) weiß aber auch (offenbar ganz im Gegensatz zur politischen Führungselite), dass man sich gegen solche "malware" recht zuverlässig schützen kann: eine handelsübliche Firewall, ein aktueller Virenscanner sowie einfache Verhaltensregeln (Niemals unbekannte Dateianhänge öffnen!) bieten ausreichend Schutz gegen unerwünschte Eindringlinge. Wer Daten und Kommunikation außerdem konsequent verschlüsselt, hat absolut nichts zu befürchten.
Und bei allem Vertrauen in die Sachkompetenz der Ordnungsorgane wird ja wohl niemand ernsthaft glauben, dass diesen gelingt, woran die weltweite Hackerszene scheitert, nämlich bestimmte, gut geschützte Computer auszuspähen.
Im Visier: Harm- und Ahnungslose
Natürlich schaffen es gelegentlich sogar "Script-Kiddies", in Rechnersysteme einzudringen. Regelmäßig sind das aber Netze, die entweder technisch nicht auf dem neuesten Stand sind oder die durch menschliche Fehler angreifbar werden. Zwar könnte das auch auf die Infrastruktur von Bösewichten zutreffen. Anzunehmen ist aber eher, dass die sich aus den öffentlich zugänglichen Quellen über angemessenen Schutz informieren und diese Informationen dann auch umsetzen. Wer Böses im Schilde führt, dürfte, im Gegensatz zu Otto Normalsurfer, etwa den zusätzlichen Aufwand der Verschlüsselung von eMails gerne in Kauf nehmen.
Ins Visier der Fahner kämen also ohnehin nur die Harmlosen und die Ahnungslosen. Was soll das Ganze dann aber überhaupt? Warum die ganze Debatte? Alles nur politischer Aktionismus? Erschreckende Ahnungslosigkeit?
Der Eindruck drängt sich auf, dass unter dem Mäntelchen des Kampfes gegen den Terrorismus die Bürgerrechte systematisch ausgehölt werden sollen.
Sinnfreie und hysterische Debatte
Würde der Regierung tatsächlich an der öffentlichen Sicherheit gelegen sein, hätte sie nicht tatenlos zugesehen, wie seit dem 11. September 2001 tausende (!) Stellen bei der Polizei gestrichen wurden. Die kosten allerdings Geld - ganz im Gegensatz zur sinnfreien und hysterischen Debatte über "gezielte Tötungen" und Online-Razzien.
Das wirft letztlich die Frage auf, ob der Innenminister, der diese Debatte betreibt, sich lediglich als "harter Hund" profilieren will, oder ob bei diesem Mann, der immerhin durch einen Anschlag schwer traumatisiert und fast um seine Karriere gebracht wurde, noch mehr dahinter steckt. Beide Alternativen sind allerdings nicht gerade ermutigend.
Thomas Leidel, Community-Manager bei n-tv.de, sieht den geplanten Online-Durchsuchungen gelassen entgegen - weil sie sowieso nicht funktionieren.
Quelle: ntv.de