Britischer Machtpoker entschieden Problematische Koalition
11.05.2010, 22:11 UhrDavid Cameron ist am Ziel: Er ist britischer Premierminister. Die Machtübernahme hat für den Chef der Konservativen allerdings einen faden Beigeschmack.

David Cameron (rechts) und Nick Clegg müssen sich zusammenraufen.
(Foto: AP)
Die Würfel sind gefallen: Nach Tagen zähen Verhandelns bekommt Großbritannien eine neue Regierung. Konservative und Liberaldemokraten einigen sich nach nervenaufreibenden Sitzungen auf eine Koalition. David Cameron kann damit in Number 10 Downing Street einziehen. Der 43-Jährige ist bereits der zwölfte Premierminister, den Königin Elizabeth II. von nun an jeden Dienstag zum Meinungsaustausch empfängt.
Die Hinwendung von Nick Cleggs Liberaldemokraten zu den Tories kam nicht überraschend. Die Gelben ließen sich dabei ausschließlich von der Vernunft leiten, denn ein Zusammengehen mit der abgewählten Labour Party von Gordon Brown hätte allenfalls eine fragile Konstellation hervorgebracht. Labour und Lib Dems wären im Unterhaus ohne Mehrheit – die kleineren regionalen Parteien hätten mit ins Boot geholt werden müssen. In der Zeit der grassierenden Wirtschafts- und Finanzkrise und eines horrenden Haushaltsdefizits war dies Bürgern und Wirtschaft nicht vermittelbar.
Mit Cameron und Clegg tun sich zwei Politiker der jüngeren Generation zusammen, die sich eigentlich nicht so recht mögen. Bereits während des Wahlkampfes wurde deutlich, dass zwischen dem europaskeptischen Tory-Führer und dem europafreundlichen Liberaldemokraten eine große Lücke klafft. Die Konservativen fuhren in ihrem Wahlprogramm einen strikten Anti-EU-Kurs. So kündigten sie an, die EU-Gesetzgebung in Sozial- und Arbeitsrechtsfragen zu überprüfen. "Wir werden nicht zulassen, dass Großbritannien in ein föderalistisches Europa schlittert", äußerte sich Cameron vor der Unterhauswahl glasklar. Die EU-Gipfeltreffen werden sich mit dem neuen Mann aus London noch schwieriger gestalten; Angela Merkel und ihre Kollegen können sich bereits jetzt schon freuen. Innenpolitisch propagierten die Tories den Rückzug des Staates aus dem gesellschaftlichen Leben der Bürger. Cameron wurde nicht müde, Steuersenkungen und den Abbau der staatlichen Regulierung zu fordern.
Dagegen versprachen die Liberaldemokraten mehr Gerechtigkeit in der britischen Gesellschaft. Clegg forderte Steuererleichterungen für Geringverdiener, Reformen im Bildungs- und Wirtschaftsbereich. Er wollte den Bankensektor stärker an die Kandare nehmen. Damit stehen er und seine Partei programmatisch der Labour Party deutlich näher. Aber die Gründe, mit Labour nicht zusammenzuarbeiten, wogen schwerer.
Brown hatte keine Chance
Cameron erwies sich als harter Verhandlungspartner; mehrmals fuhren die Gespräche fest. Die Reform des uralten und ungerechten Wahlsystems erwies sich als großer Brocken. Aber Cameron kam den Lib Dems mit seiner Bereitschaft, ein Referendum über die Abschaffung des Mehrheitswahlrechts abzuhalten, entgegen.
Für Brown gab es keine Chance, weiter in der Downing Street zu verweilen. Auch bei einer Regierungsbildung unter Labour-Führung hätte der unpopuläre 59-Jährige seine Rückreise nach Schottland antreten müssen. Bis zuletzt hatte er die Liberaldemokraten umworben – umsonst. Sein Versuch, die Meinungsverschiedenheiten zwischen Cameron und Clegg für sich und Labour auszunutzen, war zum Scheitern verurteilt. Browns dreijährige Amtszeit als Premierminister wird maximal eine Fußnote in der britischen Geschichte sein.
Nach 13 Jahren an der Regierung muss sich Labour jetzt in der Opposition regenerieren. Politische Hoffnungsträger haben die Roten: Da wären die Miliband-Brüder David und Ed, die bereits als Premierminister-Kandidaten gehandelt wurden. Aber auch Browns Schatzkanzler Alistair Darling ist nicht chancenlos.
Vielleicht kommt die Labour Party auch wieder früher an die Macht als gedacht. Denn ob es die ungleichen Bündnispartner Tories und Lib Dems lange miteinander aushalten werden, ist völlig unklar. David Cameron könnte viel früher Neuwahlen ausrufen, als ihm lieb ist.
Quelle: ntv.de