Schwarz-Grün sondiert nicht mehr Gut, dass sie geredet haben
16.10.2013, 11:23 Uhr
Die Grünen müssen sich sortieren - und dann Opposition machen.
(Foto: imago stock&people)
Wenn etwas nicht klappt, ist das nicht gleich eine Katastrophe. Vielleicht wird es beim nächsten Mal funktionieren. Das Aus der schwarz-grünen Kundschaftergespräche jedenfalls hinterlässt viel Positives. Und wird für neue Klarheit sorgen.
Vorläufig Feierabend: Das Projekt Schwarz-Grün ist erstmal ad acta gelegt. Bei den Sondierungsgesprächen habe sich gezeigt, dass die Brücken zwischen den beiden Parteien nicht stabil genug seien für eine gemeinsame Regierung, begründet Cem Özdemir das Ende der Gespräche. Nun bedeutet Scheitern aber nicht zwingend, dass etwas Negatives passiert ist.
Ja, die inhaltlichen Differenzen zwischen den immer noch sehr ungleichen Parteien sind groß - was das Meinungsspektrum im Land widerspiegelt. Die Grünen verfolgen etwa in der Flüchtlings- und Familienpolitik, vor allem aber bei den Problemen der Energiewende und auch mit der Forderung nach einem Mindestlohn und einem höheren Spitzensteuersatz einen gänzlich anderen, fast sogar entgegengesetzten Kurs als die Union. Und es handelt sich bei den angesprochenen Themen keineswegs um Randnotizen, sondern eben um die dicken Brocken, die die gesamte deutsche Gesellschaft bewegen und sogar die Mitte noch in eher links und eher rechts aufteilen. Die Grünen konnten es sich zudem nicht leisten, nach den mageren 8,4 Prozent bei der Bundestagswahl auch noch ihren Kernwähler in genau diesen Punkten Abstriche zuzumuten.
Positiv ist, dass es überhaupt diese Gespräche gab, dass sich Parteien, die sich vor wenigen Jahrzehnten aus ideologischen Gründen noch spinnefeind waren, an einem Tisch über Kompromisse reden. Beide Seiten betonen, wie fruchtbar die Treffen waren – und es scheint sich dabei um mehr als reine Lippenbekenntnisse zu handeln. Aus der Union kommt Lob für die Ernsthaftigkeit, mit der die Grünen dabei gewesen seien; und auf grüner Seite wird von positiven Überraschungen gesprochen. Sogar Claudia Roth sagt, die Verhandlungen mit der Union seien "außerordentlich sachlich, sehr neugierig, klar und konstruktiv" gewesen. "Es waren schöne Gespräche", geprägt vom Verstehen der jeweils anderen Seite. Das ist doch was. Wenn Sondierungsgespräche die Arznei gegen die grassierende Ausschließeritis werden, wünscht sich das Wahlvolk mehr davon.
Harte, lohnende Oppositionsbank
In Kürze geht die Sondierung zwischen Union und Sozialdemokraten weiter. Nun müssen Merkel und Seehofer die SPD mehr umgarnen – und haben mit den Grünen dabei ein Druckmittel verloren. Eine größer werdende Kompromissbereitschaft ist gefragt, auch seitens der SPD, die ja grundsätzlich regieren will und auch weiß, dass es für eine Totalverweigerung bei den Deutschen kein Verständnis gibt. Also wird es wohl Schwarz-Rot geben, wie sich das laut Umfragen die meisten Wähler auch wünschen. Vermutlich mit Mindestlohn, aber ohne größere Steuererhöhungen.
Den Grünen bleibt die Opposition, genauso wie der Linken. Beide sind quantitativ nicht stark, aber inhaltlich schlagkräftig. Die Linke hat in der letzten Legislatur mittels kleiner und großer Anfragen die ein oder andere unangenehme Schlagzeile aus der Regierung gekitzelt. Letzter Fall: die Lieferungen der deutschen chemischen Industrie an Syrien. Auch im NSU-Ausschuss haben sich die Linken bewährt. Die Grünen haben nach der Wahlschlappe ihren Kehraus bereits angefangen; in wenigen Wochen wird die Partei wieder einsatzbereit sein. Dann heißt es, dem schwarz-roten Tanker Dampf zu machen. Machen die Grünen das gut, klappt es auch wieder mit mehr Zustimmung.
Quelle: ntv.de