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Zwischenruf Schwerstarbeit für Orban in Ungarn

Viktor Orban muss dem wachsenden Druck von Ultrarechts widerstehen.

Viktor Orban muss dem wachsenden Druck von Ultrarechts widerstehen.

(Foto: AP)

Ungarn rückt nach rechts, heißt es allenthalben. Das ist nur zur Hälfte wahr. Das Land hat sich in den vergangenen Jahren schrittweise immer mehr von dem Mitte-Links-Konsens entfernt, der seit dem Zusammenbruch des Staatssozialismus herrschte.

Die zunächst regierenden bürgerlichen Parteien und die nach acht Jahren abgewählten Nachfolger der Kommunisten haben die soziale Lage der Mehrheit der Magyaren immer weiter verschlechtert. Dies betrifft die Bauern ebenso wie die Arbeiterschaft und einen Teil der bessergestellten Mittelschichten. Die jetzt siegreiche rechtskonservative FIDESZ ist für diese Entwicklung ebenso verantwortlich wie die geschlagenen Sozialisten. Der neoliberale Kurs der Sozialisten führte Ungarn an den Rand des Staatsbankrotts. Allenthalben verbreitete Korruption verschärfte den Frust. Ein lautstark und manchmal unter der Gürtellinie geführter Parteienzwist ließ das Vertrauen in die bestehenden politischen Strukturen sinken.

All dies begünstigte den Aufstieg der Neofaschisten der Jobbik-Partei, die "Ausländer, Zigeuner und Juden" für die Entwicklung verantwortlich machte. Besonders im Norden und Osten hat Jobbik zugelegt. Dort leben die meisten Roma, ist die Armut am größten. Ihre "Neue Ungarische Garde", einer Art offiziell unbewaffneter SA, setzt den Terror gegen Roma fort, in deren Ergebnis die verbotene "Ungarische Garde" mehrere Angehörige der Roma ermordet hatte. Die Garde ist mittlerweile auch im mehrheitlich von Ungarn bewohnten rumänischen Siebenbürgen aktiv, was zu einer neuerlichen Verschlechterung der Beziehungen zwischen beiden NATO-Staaten führen kann. Abzuwarten bleibt, wie die ungarischen Minderheiten in der Südslowakei und in der serbischen Vojvodina auf das Wahlergebnis reagieren. Aber auch die FIDESZ hatte durch die Rehabilitierung des Horthy-Faschismus dazu beigetragen, Rechtsextremismus wieder hoffähig zu machen. Selbst die Sozialisten sprangen auf den ausländerfeindlichen Zug auf und verstärkten den "Kampf gegen die Zigeunerkriminalität".

Dem neuen Premier Viktor Orbán, welcher der Regierung schon von 1998 bis 2000 vorstand, wird es schwerfallen, seine Wahlversprechen einzuhalten. Dies gilt vor allem für die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Hauptsorge der Wähler. Sein Plan, die Wirtschaft durch Steuersenkungen anzukurbeln ist auch andernorts schon gescheitert. Die Woge der Euphorie wird den 46-jährigen auch am übernächsten Sonntag beim zweiten Wahlgang zum Sieg führen. Am Ende könnte nach den 53 Prozent in der ersten Runde sogar eine Zweidrittelmehrheit stehen. Es bleibt zu hoffen, dass Orbán dies nutzt, dem wachsenden Druck von Ultrarechts zu widerstehen.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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