Zwischenruf Steinbrück missachtet Verhältnismäßigkeit
02.11.2012, 16:19 Uhr
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erhielt für einen Auftritt als Talkgast bei den Bochumer Stadtwerken 25.000 Euro.
(Foto: dpa)
Nebentätigkeiten sind für einen Bundestagsabgeordneten nichts Ehrenrühriges. Allerdings sollten Honorare angemessen sein, zumal, wenn sie von armen Kommunen gezahlt werden. Ist sich Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat der ältesten deutschen Partei seiner historischen Verantwortung bewusst?
Ein Sozialdemokrat muss nicht arm sein, um sich sozial und demokratisch zu engagieren: Der in einem weißrussischen Schtetl geborene Alexander Parvus war reich, aktiver Sozialdemokrat und engagierte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zarenreich wie in Deutschland für seine Gesinnungsgenossen. Doch es macht einen Unterschied, ob sich ein Unternehmer politisch oder sich ein Politiker unternehmerisch betätigt. Zumal, wenn er hauptamtlich Abgeordneter des Deutschen Bundestages ist. Nun ist ein Nebenverdienst keineswegs anrüchig oder gar illegal.
Allein: Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sollte schon beachtet werden. Bei 89 Vorträgen und fünf Bundestagsreden ist das schon nicht mehr der Fall. Umso mehr, wenn Peer Steinbrück - nicht nur Gastredner, sondern auch Mitglied von Aufsichtsräten - eine Tagung bei Thyssen-Krupp einer namentlichen Abstimmung im Parlament vorzieht. Unabhängig davon, ob die 25.000 Euro von den Bochumer Stadtwerken nun Spende oder Honorar waren: Bei einer klammen Kommune in einem Bundesland, in dem man mal Ministerpräsident war, ziemt es sich nicht. Es gibt andere Sozialdemokraten, die dort aufgetreten sind und eine Bezahlung - egal, welcher Art - abgelehnt haben. Und die Meldung von Vorträgen "verschwitzen" kann man gleich gar nicht, umso mehr, wenn man Mitarbeiter hat und Terminvereinbarungen über eine Agentur laufen.
Wenn ein Arbeitsloser einen Termin bei der Agentur für Arbeit verschwitzt, gibt es Sanktionen. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Welchen Eindruck macht das Steinbrücksche Verhalten wohl auf jene, welche die SPD als ihre Stammwählerschaft betrachtet? Der Kanzlerkandidat der ältesten Partei des Landes, für die soziales Engagement bis zur Agenda 2010 an vorderster Stelle stand, trägt eine historische Last auf seinen Schultern. Dessen war sich Steinbrück bislang offensichtlich nicht bewusst. Die deutsche Sozialdemokratie sollte ihm mehr wert sein als eine Million.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de