Zwischenruf Stierkampf: Die spinnen, die Spanier!
08.11.2013, 17:58 Uhr
Der Stierkampf besteht in Spanien in seiner heutigen Form seit vier Jahrhunderten.
(Foto: dpa)
König Karl IV., ein reaktionärer Bourbonenknochen, hatte den Stierkampf 1805 in Spanien verbieten lassen. Auch sein liberaler Gegenspieler Jovellanos lehnte den Kampf ab. Der Stierkampf wird jetzt zum Kulturerbe erklärt.
Zumindest die konservative Mehrheit des spanischen Senats spinnt. Der Stierkampf sei "kulturelles Erbe", entschied die zweite Parlamentskammer nach einer immerhin vierstündigen Debatte. Das dürfte der regierenden rechtsgerichteten Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy einen Sympathiezuwachs in jenen konservativen Wählerschichten bescheren, die der Politik der sozialen Streichorgien zunehmend ablehnend gegenüberstehen. Der politische Charakter des Streits um das mutwillige Töten eines Tieres zum Zwecke der Belustigung mag aus mitteleuropäischer Sicht befremdlich anmuten. Auf der Iberischen Halbinsel, insbesondere in Spanien, ist die Corrida für manche eine Frage der nationalen Identität.
Doch der Beschluss der "senadores" zielt, wenngleich die PP in den Oktoberumfragen den ersten Platz von der sozialdemokratischen PSOE zurückerobert hat, nicht nur auf Wählerstimmen. Unter Rajoys PSOE-Vorgänger Luís Zapatero war ein ähnlicher Versuch gescheitert. Die mächtigen Rinderzüchter aus dem andalusischen Süden haben aktiv antichambrieren lassen, um auch den aus dem galizischen Nordwesten stammenden Rajoy zu überzeugen. Dort kann die mit den Portugiesen verwandte Bevölkerung dem Stierkampf herzlich wenig abgewinnen.
Die Kanaren dürfen verbieten, Katalonien nicht
Das Parlament des nach Unabhängigkeit strebenden Katalonien hat den Stierkampf gar verboten. Weil der nicht den katalanischen Traditionen entspräche und aus Gründen des Tierschutzes. Die PP ließ erklären, dass der Stierkampf "jetzt nach Katalonien zurückkehren" werde. Der Staat sei verpflichtet, die Durchführung der Kämpfe als Teil des freien Zugangs zu Kultur zu gewährleisten. So wird der Streit um den Stierkampf Teil des Streits um die Zukunft des spanischen Föderalismus. Auf den zu Spanien gehörenden Kanaren übrigens ist der Stierkampf seit 1991 verboten. Doch der Archipel vor der afrikanischen Küste will sich ja auch nicht von Madrid lossagen.
Die Befürworter der Schlachtfeste erklären, 70.000 Menschen würden mit der Zucht des "toro de lidia", des Spanischen Kampfrindes, ihr täglich Brot verdienen; ein Verbot würde sie arbeitslos machen. Aber die getöteten Stiere landen ohnehin auf dem Schlachthof und gelangen so in die Nahrungskette. Falls eine künftig durchaus mögliche linke Mehrheit aus PSOE und der kommunistisch geführten Vereinten Linken (IU) den Senatsbeschluss wieder kassiert, können die spanischen Stierkampfanhänger ja in das südportugiesische Städtchen Ferreira do Alentejo pilgern. Dies ist der einzige Ort in Portugal, in dem der Stier in der Arena getötet wird. Bei den "toiradas" im Rest des Landes ist das verboten. Auf dem Schlachthof landen die Tiere nach der Arena aber trotzdem.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische
Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de