Zwischenruf Tiefschwarzer Schlick
20.07.2009, 18:28 UhrDa tun sie immer so, als könnten sie in Schleswig-Holstein meerumschlungen die Wässerlein weder der Nord- noch der Ostsee trüben, und dann watet die politische Klasse des nördlichsten Bundeslandes plötzlich durch tiefschwarzen Schlick. Stichwort: Barschel-Affäre.

Peter Harry Carstensens Handeln widerspricht dem Bild eines bodenständigen Vorkämpfers.
(Foto: dpa)
Und jetzt hat Ministerpräsident Peter Harry Carstensen schlicht gelogen, als er Landtagspräsident Martin Kayenburg schrieb, die SPD hätte dem goldenen Handschlag für den HSH-Pleitier Dirk Jens Nonnenmacher zugestimmt. Das war der Tropfen, der das Koalitionsfass zum Überlaufen brachte. Dass der Nordfriese in die Offensive geht und so tut, als wäre sein SPD-Widerpart Ralf Stegner an allem Schuld, zeugt von politischer Raffinesse. Das hat so gar nichts zu tun mit dem Bild des bodenständigen Vorkämpfers für das deutsche Reinheitsgebot von 1516, das manch einer jenseits des Weißwurstäquators von ihm zeichnet. Es macht das Ganze aber nicht besser in Zeiten, in denen Hartz-IV-Empfängern per Entscheidung eines Sozialgerichts die Abwrackprämie von den Einkünften abgezogen wird. Wenn es stimmt, dass Carstensen das besagte Schreiben auf Basis einer Vorlage seines hamburgischen Kollegen Ole von Beust übernommen und der grüne Koalitionspartner den Geldregen abgesegnet hat, ist der soziale Lack der beiden ab. Eine Stellungnahme aus der Freien und Hansestadt ist überfällig.
Die Umstände des Bruchs der Kieler Koalition werfen ein Schlaglicht auf die Arten und Weisen, wie hierzulande Politik gemacht wird: Parteispendenaffären, Gesetze, die den Parlamentariern von den Konzernlobbyisten in die Feder diktiert werden, Ministerpräsidenten, die Schwarzgelder als "jüdisches Erbe" deklarieren oder eben die Unwahrheit sagen.
Der Gipfel der Scheinheiligkeit wird erreicht, wenn nun der Landtag dem Regierungschef das Misstrauen aussprechen soll, die christdemokratischen und liberalen Abgeordneten aber soviel Vertrauen in Carstensen haben, dass sie ihn nach Neuwahlen – wann immer die stattfinden – das Vertrauen aussprechen werden. Auch Gerhard Schröder hat 2005 sich dieses Tricks bedient, der einer Demokratie unwürdig ist.
Die CDU wird den bevorstehenden Urnengang wahrscheinlich für sich entscheiden. Ihr vierschrötiger Spitzenmann ist in einem Bundesland, in dem die Wahl auf dem flachen Land entschieden wird, einfach der bessere Kandidat als der Pfälzer mit der Fliege.
Die Demokratie aber wird Schaden nehmen. Und irgendwann fließen dann wieder Krokodilstränen wegen der "Politikverdrossenheit".

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de