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Zwischenruf Ungarn droht parlamentarische Diktatur

Nach der Kritik aus Brüssel am Demokratieabbau in Ungarn rudert Premier Orban teilweise zurück. Doch an der ultranationalistischen und rechtskonservativen Politik der Regierung kann Brüssel auf juristischem Wege nichts ändern. Ungarn droht noch weiter nach rechts zu driften. Hier ist politischer Druck gefragt. Doch bislang ist davon wenig zu spüren.

Mit Orbans Umfragewerten geht es bergab.

Mit Orbans Umfragewerten geht es bergab.

(Foto: dpa)

Wenn Ungarn Ministerpräsident Viktor Orban im Streit mit der Europäischen Kommission erklärt, er beuge sich nicht den Argumenten, sondern der Macht, meint er dem Geld. Dabei geht es in dem durch Brüssel eröffneten Verfahren gegen Ungarn gar nicht um die antidemokratische Substanz der neuen Verfassung. Beanstandet werden lediglich die Aufhebung der Unabhängigkeit der Zentralbank, Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz und den Datenschutz. Gegen die EU-Staaten Slowakei und Rumänien sowie gegen Serbien gerichtete großungarische Ambitionen spielen in der Kritik aus Brüssel keine Rolle.

Gleiches gilt für die weitgehende Aufhebung der Pressefreiheit. Das entsprechende Gesetz wurde nur kosmetisch verändert: Die "Säuberungen" in den staatlichen Medien werden nicht zurückgenommen; die einzige oppositionelle Radiostation verliert im März plangemäß ihre Sendelizenz. Für politische Interventionen bietet das europäische Vertragswerk auch kaum eine Grundlage. Hier zeigen sich die Grenzen der politischen und juristischen Integration.

Auch CDU/CSU sollte Einfluss geltend machen

Auch der Internationale Währungsfonds macht neuerliche Kredite nur davon abhängig, dass Ungarn seine Wirtschaft wieder auf Vordermann bringt. Gegenüber missliebigen, weil links regierten Ländern außerhalb Europas ist man da viel deutlicher geworden.

Die Umfragewerte der Regierung Orban gehen von Woche zu Woche weiter nach unten. Doch dies kommt nicht etwa der Opposition zugute. Die meisten wollen gar nicht wieder an die Urnen treten. Alleiniger Profiteur ist die neofaschistische Jobbik-Partei.

Die EU, ihre Mitgliedsländer und die mit der FIDESZ verbundenen europäischen Parteien wie die CDU/CSU sollten ihren Einfluss geltend machen. Nur so kann eine Entwicklung wie in Italien unter Silvio Berlusconi verhindert werden. In Österreich, das mit Ungarn auf eine gemeinsame Vergangenheit zurückblickt, ist die Volkspartei gefragt. Sonst droht aus der "parlamentarischen Diktatur", wie der Schriftsteller György Konrad das Regime in der FAZ nannte, ein Autoritarismus ohne Adjektiv. Macht ist mehr als Geld.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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