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Zwischenruf Verfassungsschutz: Beide Augen auf!

Heinz Fromm übernimmt die Verantwortung für die Ermittlungspannen.

Heinz Fromm übernimmt die Verantwortung für die Ermittlungspannen.

(Foto: dapd)

Der Rücktritt von Verfassungsschutzchef Fromm markiert eine tiefe Krise der deutschen Sicherheitsbehörden. Ein "Weiter so!" darf es nicht geben. Zu groß sind die Gefahren für unsere Demokratie, in Krisenzeiten zumal. Da heißt es: Beide Augen auf! Bleibt das rechte geschlossen, findet das Huhn weniger Körner.

Der Rücktritt von Heinz Fromm von seiner Funktion als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist der - vorläufige? - Höhepunkt einer Skandalkette, die in der deutschen Nachkriegsgeschichte ihresgleichen sucht. Es ist bittere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet ein Sozialdemokrat über eine Affäre stolpert, die durch Neonazis ausgelöst wurde. Fromm war es auch, der anordnete, die SS-, SD- und Gestapo-Vergangenheit des Dienstes aufzuarbeiten.

Es ist schier unmöglich, die vielfältigen Irrungen und Wirrungen zu beschreiben, die es um den Fall der Mörderbande NSU gegeben hat. Und es ist schier unmöglich zu klären, ob es sich in dem einen oder anderen Fall um bewusste Hilfestellung oder pure Schlamperei gehandelt hat. Schlimm genug ist, dass es überhaupt möglich ist, dass es in einer solch brisanten Angelegenheit zu eklatanten Ermittlungsfehlern kommen konnte. Abgesehen vom neofaschistischen Hintergrund sind zehn Menschenleben zu beklagen. Dass die Taten miteinander im Zusammenhang standen, war rasch sichtbar. Dass aber - zum Beispiel - ein V-Mann des Verfassungsschutzes beim Mord in Kassel anwesend war und trotzdem die Nebelkerze "Dönermorde" geworfen wurde, sprengt das Vorstellungsvermögen.

Wenn just in dem Augenblick, da die NSU-Bande aufgedeckt worden war, Akten mit Hinweisen zu deren Verbindung zu "legalen" Nazigruppen vernichtet werden, kann man sich nicht einmal mehr an den Kopf fassen. Der Spruch vom rechten Auge, auf dem deutsche Geheimdienste blind sind, geht leicht von der Zunge. Dies zu beweisen, ist schwer. Wenn aber deutlich mehr Mitarbeiter mit Linksextremismus befasst sind und dieses Ressort sogar zeitweilig mit der für Rechtsextremismus zuständigen Abteilung zusammengelegt wurde, zeugt das zumindest von einer Unterschätzung der Gefahr von Extremrechts.

Manfred Bleskin

Manfred Bleskin

Wie immer, bergen Krisen auch die Chance eines Neubeginns. Der Nachfolger von Fromm sollte sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Einen zweiten Skandal dieser Art kann sich unsere Demokratie nicht leisten. In Krisenzeiten zumal, da braune Rattenfänger soziale Unzufriedenheit in "völkische" Bahnen zu lenken suchen.

Quelle: ntv.de

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