Politik

Verfassungsschutz-Chef tritt ab Fromm-Nachfolge ist noch offen

Fromm musste zahlreichen Kontrollgremien Rede und Antwort stehen.

Fromm musste zahlreichen Kontrollgremien Rede und Antwort stehen.

(Foto: dapd)

Es ist der letzte Ausweg: Immer neue Bericht zeigen, wie viele Pannen dem Bundesverfassungsschutz bei den Ermittlungen zur Zwickauer Terrorzelle unterlaufen sind. Der Chef der Behörde, Fromm, zieht deswegen jetzt die Notbremse und lässt sich in den Ruhestand versetzen. Als Nachfolger wird Vize Eisvogel gehandelt - auch wenn noch nichts entschieden ist.

Wer auf den scheidenden Verfassungsschutzpräsidenten Heinz Fromm folgt, ist nach Angaben der Kölner Sicherheitsbehörde noch nicht entschieden. Dass Vize-Präsident Alexander Eisvogel den Inlandsgeheimdienst kommissarisch leiten soll, nannte eine Sprecherin "reine Spekulation".

Die "Passauer Neue Presse" berichtete unter Berufung auf Berliner Sicherheitskreise, der 46-Jährige solle den Verfassungsschutz bis zum Ende der Untersuchungen zur Neonazi-Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) kommissarisch führen. Wer danach Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) werde, sei noch unklar.

Die Behördensprecherin sagte, Fromm werde bis zum Monatsende alle seine Aufgaben und Verpflichtungen wahrnehmen. Er werde auch an diesem Donnerstag in Berlin vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen. Bis Fromm am 31. Juli in den Ruhestand trete, sei damit auch keine kommissarische Leitung notwendig.

Friedrich versetzt Fromm in den Ruhestand

Zuvor wurde bekannt, dass Fromm als Konsequenz aus den Pannen bei den Ermittlungen gegen die Zwickauer Neonazi-Zelle sein Amt aufgeben wird. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich versetze Fromm auf eigenen Wunsch zum 31. Juli in den Ruhestand, erklärte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Der als uneitel und sachlich geltende Beamte war seit zwölf Jahren Chef des Inlands-Geheimdienstes.

Dem Rücktritt war nach Angaben des Ministeriumssprechers ein persönliches Gespräch Fromms mit Bundesinnenminister Friedrich vorangegangen. Friedrich habe Fromms Entscheidung zum Amtsverzicht "mit Respekt" zur Kenntnis genommen.

Pannen und viele Fragen

Alexander Eisvogel ist der wohl heißeste Kandidat auf Fromms Nachfolge.

Alexander Eisvogel ist der wohl heißeste Kandidat auf Fromms Nachfolge.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit seinem Rücktritt zieht Fromm die Konsequenzen aus den Pannen bei den Ermittlungen gegen die Neonazi-Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) sowie die jüngst bekanntgewordenen von Verfassungsschützern im Zusammenhang mit der NSU.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte: "Die Entscheidung von Heinz Fromm ist konsequent und verdient großen Respekt." An einem ändere diese Entscheidung aber nichts: "Das System Verfassungsschutz gehört grundsätzlich auf den Prüfstand." Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte: "Die Geheimdienststruktur und interne Struktur stehen nun grundsätzlich zur Debatte." Die Linke-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss, Petra Pau, sagte: "Die Fragen und Probleme bleiben."

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Akten mit Informationen über thüringische Rechtsextremisten im November 2011 beim Kölner Bundesamt kurz nach der Aufdeckung der Neonazi-Mordserie vernichtet worden waren. Dadurch war Fromm unter Druck geraten, der Vorgang sorgte für Empörung quer durch alle Parteien. Friedrich hat die Aufklärung des Vorgangs zugesagt.

"Randpersonen und Mitläufer"

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet unter Berufung auf einen Brief Fromms an Friedrich, der Chef des Bundesverfassungsschutzes, Fromm habe den Wert der verlorenen Informationen heruntergespielt. Die V-Leute seien "ausschließlich Randpersonen oder Mitläufer" gewesen, schreibt Fromm. "Trotz der relativ hohen Zahl von V-Leuten" sei die "Qualität der Informationen von nachrangiger Bedeutung" gewesen. Die Spitzel seien nicht sehr zuverlässig gewesen. Von den meisten habe sich das Amt schon nach kurzer Zeit wieder getrennt. Zugänge zur Szene in Jena und zum Terrortrio des "Nationalsozialistischen Untergrunds" hätten die Geheimdienste nicht erlangt.

Den Vorgang der Aktenvernichtung beschreibt das Blatt weniger als "planvollen Vertuschungsversuch" als vielmehr einen "Akt der völligen Gedankenlosigkeit". Die sieben geschredderten Akten seien auf dem üblichen Dienstweg im Reißwolf gelandet, nichts deute auf eine konspirative Aktion hin. Zunächst habe der zuständige Beamte am 10. November 2011 zwei E-Mails geschrieben, in denen er feststellte, die Dokumente müssten vernichtet werden. Am folgenden Tag habe eine Mitarbeiterin der Registratur die Vernichtung durchgeführt. Auch das nötige Formular zur Vernichtung einer Verschlusssache sei unterschrieben worden.

Fromm wurde überstimmt

Das Blatt verteidigte Fromm indirekt, indem es beschreibt, dass Fromm 2006 bei der Zusammenlegung der Abteilungen zur Beobachtung von Links- und Rechtsextremismus vom Bundesinnenministerium überstimmt worden sei. Laut einem internen Schriftverkehr, der dem Blatt vorliegt, hatte Fromm eindringlich vor der Fusion gewarnt. "Die jüngsten Übergriffe auf Ausländer sowie die medienwirksamen Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene zeigen die fortdauernde Notwendigkeit einer intensiven Bearbeitung dieses Bereichs", schrieb Fromm im Juli 2006 ans Innenministerium. Die Fusion könnte als "Vernachlässigung dieser Schwerpunktaufgabe" aufgefasst werden. Er riet dringend ab, wurde aber schließlich mit Verweis auf finanzielle Überlegungen und einen "ganzheitlichen Ansatz" zum Schweigen gebracht. Die Fusion der Abteilungen wurde nach dem Bekanntwerden der rechtsextremen Mordserie Anfang 2012 rückgängig gemacht.

Bereits zu Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2000 hatte Fromm gewarnt, die Gefahren des Rechtsextremismus würden unterschätzt. Damals beschrieb er Ansätze zu einem "Rechtsterrorismus".

Hinweise aus Italien schon 2003

Doch die Aktenvernichtung war längts nicht die einzige Panne. Laut "Berliner Zeitung" bekam der Verfassungsschutz bereits im März 2003 Hinweise auf ein Netz rechtsextremer Terrorzellen in Deutschland. Das Blatt beruft sich auf ein Schreiben des italienischen Inlandsgeheimdienstes AISI an den Verfassungsschutz vom Dezember 2011, in dem auf ein Schreiben von März 2003 verwiesen werde. Darin sei über ein Treffen europäischer Neonazis berichtet worden, auf dem italienische Rechtsextremisten "bei vertraulichen Gesprächen von der Existenz eines Netzwerks militanter europäischer Neonazis erfahren" hätten.

Dieses Netzwerk bilde eine "halb im Untergrund befindliche autonome Basis" und sei in der Lage, "mittels spontan gebildeter Zellen kriminellen Aktivitäten nachzugehen", zitierte die Zeitung aus dem Schreiben. In einem vertraulichen Zusammenhang seien in diesem Zusammenhang die Namen mehrerer ranghoher deutscher Rechtsextremisten genannt worden. Aus dem Schreiben gehe außerdem hervor, dass deutsche Neonazis insbesondere aus Bayern und Thüringen seit Jahren enge Beziehungen nach Italien pflegen.

Quelle: ntv.de, sba/dpa

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