Gordischer Knoten zerschlagen Vorhang für Papandreou fällt
06.11.2011, 22:19 Uhr
Papandreou wird sein Amt aufgeben.
(Foto: REUTERS)
Das Verhältnis zwischen Konservativen und Sozialisten in Griechenland ist vergiftet. Das zeigt der komplizierte Weg zur dringend benötigten Übergangsregierung, der letztlich Ministerpräsident Papandreou sein Amt kostet.
Die Schuldenkrise frisst ihre Politiker. Nach den Regierungen Irlands und Portugals scheitert nun auch Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou mit seinem sozialistischen Kabinett. Nach vielen Irrungen und Wirrungen verlässt der trickreiche Pasok-Politiker endlich seinen Stuhl und macht den Weg für einen politischen Neuanfang frei. Die ereignisreiche Athener Theaterwoche findet damit ein furioses Finale. Neue Stücke befinden sich bereits in Arbeit. Dabei werden wohl auch weiterhin Akteure Rollen zugeschanzt bekommen, die ihnen nach Meinung der Griechen nicht zustehen. Dafür werden Pasok und Nea Dimokratia (ND) leider sorgen.
Mit dem Rückzug Papandreous wurde in Athen ein Gordischer Knoten zerschlagen. Endlich ist der Weg für eine Übergangsregierung, die das Land durch die schwere Zeit bis zu Neuwahlen führt, frei. Einerseits kommen die Konservativen endlich aus den Büschen und übernehmen Mitverantwortung für das abgewirtschaftete Land und damit auch für ihr Versagen in der Regierungszeit des ND-Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis (2004 bis 2009), der unter anderem den öffentlichen Dienst mit der Einstellung "verdienstvoller" Gefolgsleuten aufblähte. Andererseits gesteht die Pasok, die ebenfalls ihre Aktie an der schweren Krise hat, ihr Scheitern ein.
Das Gefeilsche vor der Ankündigung des Papandreou-Rücktritts verdeutlichte einmal mehr das vergiftete Verhältnis zwischen beiden großen Parteien. So verlangte ND-Chef Antonis Samaras erst die Rücktrittszusicherung des Premiers, um dann die Zustimmung zur Regierung geben zu können. Die Pasok strebte erst eine Sicherstellung der Regierungsbildung an, um erst danach Papandreou zu opfern. So geriet erstmals Staatspräsident Karolos Papoulias unfreiwillig in den Mittelpunkt. Das 82-jährige Pasok-Urgestein - Papoulias war eng mit mit Papandreous Vater Andreas befreundet - musste zwischen beiden "Händlergruppen" vermitteln. Dennoch misstraut und belauert man sich nach wie vor.
Dabei ist Griechenland eine seriöse Übergangsregierung mit sachverständigen Ministern sehr zu wünschen. Die Zusammenarbeit mit Papandreou war für EU, EZB und IWF zuletzt sehr schwierig. Da war die nicht mit den Partnern abgestimmte – mittlerweile zurückgenommene - Volksbefragung zu den Ergebnissen des Euro-Gipfels vom 27. Oktober. Erinnert sei zudem an den Streit der Athener Regierung mit der sogenannten Troika, deren Vertreter einmal sogar wütend das Pleiteland verließen. Auch was die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands betraf, wurde in Athen nicht immer die Wahrheit gesagt: Erst wurde Mitte Oktober als Termin genannt; nach dem Hickhack um die Sparpläne war das Mittelmeerland plötzlich bis Mitte November "flüssig". Als Papandreou seinen Referendum-Amoklauf begann, verlautete aus dem Finanzministerium von Evangelos Venizelos, dass Griechenland bis Mitte Dezember ohne internationale Tranche auskommen könnte. Das hatte mit Seriosität nun wirklich nichts mehr zu tun.
Auch Samaras spielte lange Zeit keine konstruktive Rolle. Er verwahrte sich gegen die mühsam ausgehandelten Rettungspläne. Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und Jean-Claude Juncker mussten Papandreous ehemaligen Studienkollegen erst einmal einnorden. Bleibt zu hoffen, dass aus dem "seltsamen Oppositionsführer in Athen" – so nannte ihn kürzlich Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder – im Fall eines Wahlsieges kein seltsamer Regierungschef wird, sondern einer, der verantwortungsvoll mit seiner Macht umgeht und vor allen Dingen mit offenen Karten spielt.
Berlusconi überreif
Papandreou ist nicht der letzte Politiker, der vor der Schuldenkrise kapitulieren muss. Am 20. November ist in Spanien Parlamentswahl. Die Sozialisten richten sich schon auf eine Niederlage ein. Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero ist ohnehin nicht mehr Spitzenkandidat. Auch andere Regierungen wackeln: So ist Italiens peinlicher Silvio Berlusconi überreif für den Rückzug aufs Altenteil. Vielleicht bringen die Ereignisse in Athen dem Stiefelland die Befreiung. Zu wünschen wäre es seinen Menschen.
Obwohl die griechische Politik in Bewegung geraten ist, bleibt die Wirtschafts- und Finanzlage des Landes dramatisch, so dass ausländische Unternehmen wie der Touristikkonzern Tui bei Vertragsverhandlungen die etwaige Rückkehr der Drachme mit im Blick haben. Auch Ifo-Chef Hans-Werner Sinn wird seit Monaten nicht müde, Griechenland aus der Eurozone heraus zu argumentieren. Auch in Berlin, Paris, Brüssel und Frankfurt wird dies nicht mehr für unmöglich gehalten. Wie es Sinn-gemäß heißt, kommt erst ein kräftiges Gewitter - und dann scheint wieder die Sonne. So wie es derzeit in Griechenland aussieht, drohen dann vorerst schwere Überschwemmungen.
Quelle: ntv.de