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Zwischenruf Weiter wie bisher?

Lang' hat's gedauert in Deutschland. Nicholas Sarkozy peitschte sein Konjunkturprogramm in der Nationalversammlung mit der Regierungsmehrheit ohne viel Federlesens durch, Gordon Brown konnte sich auf Labour verlassen. Barack Obama brauchte etwas mehr Zeit, weil er neben den Stimmen seiner Demokraten auch die ein paar oppositioneller Republikaner benötigte. Hierzulande stritten sich erst einmal die Koalitionäre wie die Kesselflicker und ließen so viel Zeit verstreichen.

Das rasch aus dem Boden gestampfte Bankenrettungspaket verpuffte. Die Kreditinstitute sorgen sich mehr um die Erhöhung ihrer Eigenkapitalbasis statt mittelständischen Betrieben mit vollen Auftragsbüchern Überbrückungskredite zu gewähren.

Nach dem ersten Konjunkturpaket, das wenig mehr war als die Summe ohnehin geplanter Investitionen, sollen nun 50 Milliarden Euro für 2009 und 2010 das Steuer herumreißen. Ein 100-Milliarden-Rettungsschirm für Unternehmen, eine Abwrackprämie für alte Autos, eine neue Kfz-Steuer sowie Steuer- und Abgabensenkungen plus ein Kinderbonus in Höhe von 100 Euro kommen hinzu. Zweifellos die umfangreichsten Maßnahmen dieser Art seit 1945. Frankreich, Britannien und die USA haben aber erheblich größere Summen bereitgestellt. Ganz zu schweigen von China, dessen Paket von umgerechnet 470 Milliarden Euro durch Beiträge der Provinzen mittlerweile auf weit mehr als eine Billion angewachsen ist. Da nimmt sich der deutsche Versuch verdammt bescheiden aus. Doch ist die Masse richtig verteilt?

"Made in Germany" in der Krise

Alle Maßnahmen seit der Pleite von Lehman Brothers im Herbst von Washington bis Berlin haben nichts gebracht. Die Börsenkurse bleiben im Keller, das Pfund Sterling verliert dramatisch an Wert, der Euro zieht nach, Markennamen wie Rosenthal, Märklin, Schiesser, die für "Made in Germany" standen, drohen von der Bildfläche zu verschwinden. Opel steht vor dem Abgrund, der Speicherchiphersteller Qimonda ist am Ende. Die Liste ist auf bedrohliche Art unvollständig. Die Arbeitslosenzahlen steigen; es war richtig, das Kurzabeitergeld auf 18 Monate zu verlängern. Neue Arbeitsplätze entstehen so aber nicht.

Das Problem ist doppelter Natur: Es steht zu befürchten, dass viele Betriebe und Banken auch nach Paket II weiterwirtschaften wie bisher. Es kommt darauf an, das Eigentum im Sinne des Grundgesetzes darauf zu verpflichten tatsächlich dem Allgemeinwohl zu dienen.

Dazu muss der Staat regulierend in die Wirtschaft eingreifen. An die viel gerühmten Selbstheilungskräfte des Marktes glaubt inzwischen nicht einmal mehr Josef Ackermann. Sogar die Freien Demokraten fordern mittlerweile die Binnennachfrage zu stimulieren. Frei nach Henry Ford: Auch abgewrackte Autos können keine Autos kaufen. Mit anderen Worten: Die Maßnahmen der Bundesregierung müssen durch eine durchgängige Anhebung der Realeinkommen der Arbeitnehmer und der Hartz-IV-Empfänger ergänzt werden.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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