Pressestimmen

Krisengipfel zum Rechtsextremismus "Alarmglocken schrillen zu Recht"

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Abwehrzentrum, Zentraldatei, Koordination, Optimierung: Der Kampf gegen rechte Gewalt soll effektiver werden. Darin sind sich Innen- und Justizminister aus Bund und Ländern einig. Doch reicht dies aus, um Deutschland vor rechtem Terror zu schützen?

Der Screenshot zeigt einen Ausschnitt aus einem Video des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU). In dem Film bekennt sich die Terrorgruppe zu verschiedenen Morden der vergangenen Jahre.

Der Screenshot zeigt einen Ausschnitt aus einem Video des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU). In dem Film bekennt sich die Terrorgruppe zu verschiedenen Morden der vergangenen Jahre.

(Foto: picture alliance / dpa)

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) haben "die Behördenleiter gerade noch rechtzeitig" den Kampf um Landeszuständigkeiten und Zentralisierungsforderungen aufgegeben und sich "auf das geeinigt, was jetzt notwendig und möglich ist, ohne die Arbeit zu lähmen: auf eine Verbunddatei Rechtsextremismus". Auf diese Art und Weise sollte die Politik auch "gegen die NPD vorgehen", so die Zeitung aus Hessen: "Statt sich auf ein Parteiverbot in etlichen Jahren zu verlassen, ist es wichtiger, jetzt die Aufklärung im zweifachen Sinne des Wortes voranzutreiben: zu Händen der Behörden über das, was dort vor sich geht, und zu Händen der Bevölkerung über die nicht nur undemokratischen, sondern menschen- und republikgefährdenden Bestrebungen unter den Parteimitgliedern. Wenn sich die Wähler von der Partei fernhalten, erledigen sich manche juristischen Schwierigkeiten von selber".

"In der Sache jedoch wird man es nicht bei der Einrichtung einer neuen Datei bewenden lassen können", wirft die Rhein-Neckar-Zeitung ein. Nach dem Darfürhalten des Blattes aus Heidelberg müsse vielmehr die "Zeitgemäßheit von Landesverfassungsschutzeinrichtungen", die nebeneinander arbeiten, hinterfragt werden. Fraglich sei auch "das großzügige Honorarsystem für V-Leute, die dann mit Staatsgeldern ihre demokratiefeindlichen Bestrebungen finanzieren". Die bislang bekannten zehn Morde der Neonazis, stellen nach Ansicht der Kommentatoren "der deutschen Sicherheitspolitik im Innern ein Armutszeugnis aus. Deshalb schrillen jetzt zu Recht alle Alarmglocken".

Auch der Augsburger Allgemeinen reichen die Vorhaben der Politik nicht aus: "Die neue Datenbank mit Profilen von einschlägig bekannten Rechtsextremen und das geplante Zentrum zur Gefahrenabwehr werden den Ermittlern die Arbeit in Zukunft sicherlich erleichtern, die strukturellen Probleme des Verfassungsschutzes aber löst die Politik damit nicht. In dem Moment, in dem eine kleine Gruppe auf eigene Rechnung arbeitet und nicht im Verbund mit rechten Parteien oder Kameradschaften, verschwindet sie auch schnell aus dem Blickfeld der Geheimdienste. Diese Terroristen hinterlassen keine Bekennerschreiben und prahlen in ihrem Milieu auch nicht mit ihren Taten". Für die Kommentatoren der bayerischen Tageszeitung sind sie  "die wahre Herausforderung für den Staat - und nicht die NPD".

Für die Leipziger Volkszeitung hat die Politik mit dem Krisengipfel "routiniert ihre Ritual-Maschine angeworfen": "Interviews und Experten-Auftritte quer durch alle  Medien und auch quer durch alle Fraktionen. Wer sich im politischen  Betrieb für wichtig hält, gibt gefragt oder ungefragt seine  Ansichten zum braunen Terror und seinen mörderischen Folgen preis".  Der "Pawlowsche Polit-Reflex" könne jedoch die Hilflosigkeit im Umgang mit den Morden verübt durch die rechte Szene nur notdürftig kaschieren, konstatieren die Kommentatoren. Der Krisengipfel stellt somit für die Zeitung aus Sachsen einzig und allein "Aktionismus statt echter Suche nach konkreten Lösungen" dar.

Die Berliner Zeitung ist bemüht, ihren Lesern die Augen zu öffnen: "Der kleine Rassismus in Deutschland ist so gewöhnlich, dass er kompatibel ist mit Antirassismus-Aktionen, Anti-NPD-Demonstrationen, Straßenfesten gegen Rechts. Gerade das Komplexe, Vielfältige, die Übergänge und Grauzonen, in denen sich die alltägliche Fremdenfeindlichkeit abspielt, verführt dazu, sie als Kleinkram abzutun. Aber ihre Allgegenwart hüllt den tatbereiten Rechtsextremisten in eine Wolke von stillschweigendem Einverständnis. Das Problem liegt so tief im Alltag, dass die Politik darüber schweigt. Sie hat keine Lösung. Auch Journalisten haben keine. Man müsste die Mehrheit der Bevölkerung, Wähler aller Parteien, ächten".

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke

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