Deutschland und sein Exportüberschuss "Als ob Europa so weiterkäme!"
14.11.2013, 03:11 Uhr
Die Europäische Kommission schimpft mit Deutschland: Die Exporte seien zu hoch und die Importe zu wenig. Das führe zu einem zu großen wirtschaftlichen Ungleichgewicht. Jetzt müsse geprüft werden, ob Deutschland mehr tun könne, um in der Eurokrise zu helfen. Doch ist der Exportüberschuss von Deutschland tatsächlich ein Faktor, der zur Verschuldung der südlichen Länder beiträgt und auch die Finanzkrise vorantreibt? Die deutsche Presse ist sich einig - und anderer Meinung.
"Ja, die Exporte sind nicht einmal das eigentliche Problem.", meint die Süddeutsche Zeitung. Gefährlich sei stattdessen etwas anderes: Im gleichen Maße, in dem die Deutschen Waren und Dienstleistungen in alle Welt verkaufen würden, würden sie auch das Geld, das sie damit verdienen, ins Ausland schaffen - denn irgendwer müsse ja den Abnehmerländern den Kauf von "Made in Germany" finanzieren. Die Zeitung argumentiert weiter: " Die deutschen Exportüberschüsse gehen deshalb seit Jahren mit gewaltigen Kapitalströmen in die südlichen Länder Europas einher. In diesen Staaten sanken dadurch die Zinsen, was Regierungen, Unternehmen und Bürger dort dazu verführt hat, sich noch stärker zu verschulden."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fokussiert eher die Rolle der Kommission und ihres Präsidenten: "Deutschland steht am Pranger wegen seiner Leistungsbilanzüberschüsse: Seit Jahren exportiert es (deutlich) mehr, als es importiert. Der Vorwurf ist nicht neu, dass Deutschland so zu den Ungleichgewichten in der Weltwirtschaft und in der EU beitrage; neu ist, dass die EU-Kommission ein Prüfverfahren einleitet." Der Kommissionspräsident Barroso ahne bereits, dass die Prüfung zwischen Berlin und München von vielen als Witz empfunden würde. Deswegen beeile er sich zu beteuern, dass man nicht die deutsche Wettbewerbsfähigkeit und Exportstärke kritisiere, dass das Land für die Binnennachfrage jedoch schon etwas tun könne. Dabei sieht die Zeitung die verschiedenen Meinungen in Europa pessimistisch: "Einige Partner können das Wort Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr hören und hätten, sind wir ehrlich, an einer Schwächung Deutschlands klammheimliche Freude. Als ob Europa so weiterkäme!"
"Es wird höchste Zeit, dass beide Seiten Vorurteile bekämpfen und neues Vertrauen aufbauen", meint das Handelsblatt. Denn Frankreich und Deutschland säßen doch schließlich in einem Boot. "Beiden Ländern droht eine chronische Wachstumsschwäche, wenn sie Ungleichgewichte bei sich zu Hause nicht korrigieren. Die EU-Kommission legt nur den Finger in vorhandene Wunden." Das tue weh - und der Aufschrei sei ja auch überall zu hören. Doch niemand werde geheilt, wenn man die Schuld immer nur anderen zuschiebt und den Doktor beschimpft.
Auch die Stuttgarter Zeitung findet es reichlich paradox, dass Deutschland nun in Brüssel auf der Anklagebank sitzt. Es ließe sich nur so erklären, dass andere EU-Staaten wie Frankreich und Italien politisch Druck auf die EU-Kommission ausgeübt haben, um von ihrer eigenen Schwäche abzulenken. "Doch erst umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die vertiefte Untersuchung, die Brüssel nun gegen Deutschland eingeleitet hat, wäre ebenso sinnvoll mit Blick darauf, warum es französischen Unternehmen nicht gelingt, mehr Waren nach Deutschland zu exportieren." Zum Schluss resümiert das Blatt: "Jedenfalls wäre es absurd, wenn Deutschland mit Blick auf seine Exportstärke bestraft würde."
Quelle: ntv.de