No-Spy-Abkommen vor dem Aus "Am Ende gibt es nur Verlierer"
14.01.2014, 19:53 Uhr
Die Vereinbarung über die künftige Zusammenarbeit von deutschen und amerikanischen Geheimdiensten scheint vor dem Aus zu stehen - das "No-Spy-Abkommen" als Konsequenz aus der NSA-Affäre ist offenbar vom Tisch. Knackpunkt: Das Weiße Haus will sich nicht auf Formulierungen festlegen lassen, nach denen die US-Dienste alles unterlassen sollen, was deutsche Interessen verletzt. Am Ende, so die Kommentatoren der deutschen Zeitungen, dürfte nur noch eine klare Ansage von Kanzlerin Angela Merkel weiterhelfen - wenn nicht, müsse Deutschland einen Schritt weitergehen. Die Folgen jedenfalls könnten weitreichend sein.
Die Märkische Oderzeitung schreibt: "Natürlich war die Empörung verständlich, als durch die Enthüllungen Edward Snowdens publik wurde, dass die NSA auch das Mobiltelefon der Kanzlerin abgehört hatte". Und dennoch sei der Versuch, darüber einen Vertrag zu schließen, "von vornherein blauäugig - oder zur Beruhigung der innenpolitischen Front gedacht". Für den Kommentator aus Frankfurt/Oder ist abgemacht: "Es hilft nichts, wer sich gegen das Aushorchen und Ausspionieren anderer Mächte wappnen will - ob diese nun befreundet sind oder nicht -, hat dafür die technischen, personellen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Alles andere ist Kinderglaube".
Die Heilbronner Stimme wägt ab, wie Berlin nun gesichtswahrend aus der Sache herauskommen könnte: "Einstweilen setzt man auf Zeit. Doch wie die anderen jetzt noch herausfordern? Edward Snowden Asyl geben? Dafür scheint es zu spät. Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen stoppen? Unglaubwürdig, weil man sich auch selbst schaden könnte. Bliebe eine Art europäische Gegenspionage bis hin ins Weiße Haus. Doch da fehlen die technischen Möglichkeiten, und es wäre das Eingeständnis, dass auch uns der Wertekanon abhanden gekommen ist". Für die Zeitung aus dem Norden Baden-Württembergs "gibt es am Ende politisch nur Verlierer".

Mit Plakaten demonstrieren Teilnehmer im vergangenen Sommer am Checkpoint Charlie in Berlin gegen das US-amerikanische Internet-Überwachungsprogramm der NSA.
(Foto: dpa)
"Es wäre schön, zeigte unsere neue Regierung wenigstens in Sachen Geheimdienste einen Hauch von Herzblut", ist in der Frankfurter Rundschau zu lesen. Das Blatt aus Hessen wünscht sich "endlich eine konsequente Haltung gegenüber den Freunden in Washington". Der Kommentator ist überzeugt, dass Deutschland und Europa durchaus über Werkzeuge verfügen, "um wenigstens das 'No-Spy-Abkommen' zu erzwingen": "An Abkommen wie 'Swift' sind auch die USA zu interessiert, um eine Aussetzung durch die Europäer einfach hinzunehmen. Das gilt erst recht für die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen. Man sollte mal ärgerlich genug werden, um die Druckmittel in die Hand zu nehmen. Unsere Regierung zieht es vor, untertänigst mit einem unwilligen 'Partner' zu plaudern".
Dem Mannheimer Morgen erscheint es bemerkenswert, "dass die Paranoia in Washington selbst Nachteile für die eigene Wirtschaft hinzunehmen bereit ist". Und damit steht für das Blatt aus Baden-Württemberg fest: "Also heißt es, die Spionageabwehr auszubauen. Und das ist keineswegs mit ein paar zusätzlichen Stellen beim Inlandsgeheimdienst erledigt. In letzter Konsequenz läuft es darauf hinaus, dass sich Europa, jedenfalls der daran interessierte Teil, von der amerikanischen Computer-Hard- und Softwareindustrie emanzipiert".
Nach Ansicht der Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung hat Deutschland seine Position offensichtlich überschätzt: "Statt im EU-Rahmen mit der Macht des größten Wirtschaftsraums der Welt aufzutreten, um gemeinsam Bürger- und Freiheitsrechts zu schützen, hat die Bundesregierung allein ihre Interessen vertreten. Und ist damit gescheitert. Es ist nicht anzunehmen, dass Merkel Obama bei ihrem USA-Besuch demnächst umstimmen und ihm klarmachen kann, dass Bespitzeln unter Freunden 'gar nicht geht'".
Die Kieler Nachrichten bemühen sich um eine "nüchterne Bestandsaufnahme": "Die USA haben für Deutschland nach wie vor große Bedeutung: als riesiger Markt für seine Produkte ebenso wie als politischer und militärischer Partner. Doch sollte Berlin den Amerikanern unmissverständlich klarmachen, dass sich solche Partner nicht gegenseitig ausspionieren. Die Saat des Misstrauens hat Washington ausgebracht. Die Ernte könnten diejenigen einfahren, die von einer Spaltung Amerikas und Europas profitieren - an erster Stelle Russlands Putin. Wenigstens das sollte den Strategen in Washington zu denken geben".
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de