Alice Schwarzer gesteht Steuersünden "Angriff ist nicht die beste Verteidigung"
03.02.2014, 20:59 Uhr
Auf ihrer Website bestätigt Alice Schwarzer die Berichte über ihren jahrelangen Steuerbetrug. Gleichzeitig äußert sie Unverständnis über die öffentliche "Denunzierung", die ihr damit angetan werde. Vor allem dieser Wechsel von der Täter- in die Opferrolle stößt bei den Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen auf Kritik.
Die Westfälischen Nachrichten beschreiben Schwarzer als "ebenso streitbare wie humorvolle Frau, die für ihre Überzeugungen einsteht. Und die gern mit erhobenem Zeigefinger über die Standpunkte und Handlungen anderer urteilt."Dass ausgerechnet sie Steuern hinterzogen habe, lasse sie als moralische Instanz unglaubwürdig erscheinen. Zur Reaktion Schwarzers auf die Medienberichte schreibt das Blatt weiter: "Es wäre geschickter gewesen, sich einfach zu entschuldigen und nicht noch darüber zu lamentieren, dass ihr Fehlverhalten bekannt wurde. Viel Häme wäre ihr erspart geblieben."
Der Kölner Stadt-Anzeiger zeigt sich angesichts des Unrechtsbewusstseins der Steuersünder verärgert: "Was (…) den Delinquenten-Typus des Steuerbetrügers so schwer erträglich macht, das ist die in seiner Tat sich manifestierende Haltung, nicht Täter zu sein, sondern Opfer des Staates, dessen undurchdringliches, ungerechtes, wucherndes, sozialistisches Umverteilungs-, vulgo: Steuerrecht die Hinterziehung beziehungsweise die Flucht des Kapitals ins Ausland geradezu erzwinge. Das ist inakzeptabel."
Der Mannheimer Morgen bläst in das gleiche Horn: "Das Maß an Empörung und Selbstmitleid, das sich Alice Schwarzer, Uli Hoeneß oder Reinhold Würth - um nur einige exemplarisch zu nennen - leisteten, nachdem sie als Steuerhinterzieher entlarvt wurden, irritiert doch gewaltig. Steuerbetrüger sind definitiv die falschen Hüter der Moral. Sie übersehen geflissentlich, dass nicht andere, sondern sie selbst am eigenen Lack gekratzt haben."
"Schwarzer ist verletzt, gewiss", kommentiert die Pforzheimer Zeitung und fügt hinzu: "Sie, die moralische Instanz, hat böse gefehlt - und das weiß jetzt alle Welt." Auch dass sie wütend sei, sei "bei einer Frau, die immer wütend wirkt" kein Wunder. Vor allem aber spreche aus ihr die Hybris: "Sie wird attackiert, also muss es eine Verschwörung sein. Kleiner geht es bei Schwarzer nicht. Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung. Diese Lektion wird Schwarzer lernen müssen."
Der Tagesspiegel schlägt eine Brücke von prominenten Steuersündern zu den Plagiatsaffären bekannter Politiker: "Begriffe wie Diskretion, Privatheit, Persönlichkeitsrecht verlieren an Substanz. Macht wird entzaubert, Autorität trivialisiert. Durch Fehltritte blamiert haben sich Uli Hoeneß, Alice Schwarzer und André Schmitz ebenso wie Karl-Theodor zu Guttenberg, Annette Schavan und Silvana Koch-Mehrin." Zur Frage, ob heute mehr Steuern hinterzogen, ob mehr plagiiert werde als früher, schreibt das Blatt: "Wohl kaum. Bloß heute kommt's raus. Die Monopole der Geheimhaltung sind geknackt, die Grenzen der Intimität eingerissen worden. Was die einen als Entlarvung und Aufklärung feiern, bedauern die anderen als neuen Pranger und Burnout der Seele."
Die Stuttgarter Zeitung nimmt Schwarzer in Schutz und stellt die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Fokus der Kritik: "Alice Schwarzer hat sorgfältiger agiert als Uli Hoeneß und eine perfekte Selbstanzeige vorgelegt. Sie hat die Steuern samt Zuschlag nachgezahlt - freilich nur für den noch nicht verjährten Teil der Hinterziehungszeit. So will es das Gesetz. Sie wird deshalb wohl ohne strafrechtliche Sanktion davon kommen. Diese Regeln hat die Gesellschaft gemacht und niemand sollte die Frau dafür tadeln, dass sie das in Anspruch nimmt, was das Recht ihr zubilligt. Sie könnte mehr tun, aber sie muss es nicht. Das Gesetz ist der Fehler; es sollte endlich geändert werden. Steuerbetrug ist eine ganz gewöhnliche Straftat, so wie jeder andere Betrug auch.
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg
Quelle: ntv.de