Steuerpaket ist durch "Aufschwung auf Pump"
18.12.2009, 20:43 Uhr
		                      (Foto: picture alliance / dpa)
Die Ländern haben dem von Experten vielfach kritisierten Wachstumsbeschleunigungsgesetz zugestimmt. Kein stolzer Auftakt der Bundesregierung, denn jetzt geht Deutschland dunklen Zeiten entgegen.
Für das erste große Projekt der schwarz-gelben Regierung und dessen vermeintlichen Erfolg habe sich die Kanzlerin was kosten lassen, konstatiert der Westfälische Anzeiger. "Ein schnell spürbares Wirtschaftswachstum soll nach schwarz-gelber Finanz-Architektur dafür sorgen, dass sich das jetzt auf den Weg gebrachte Steuersenkungspaket praktisch von allein finanzieren möge." Aber selbst die Wirtschaft sehe dieses Ziel und seinen Weg skeptisch und damit weitaus realistischer, als die Regierung das tue. "Im Klartext: Schwarz-Gelb stellt nicht mehr als einen ungedeckten Scheck aus. Kein Auftakt, auf den man stolz sein sollte."
Härtere Worte finden die Kieler Nachrichten: "Das Paket verdient vor allem deshalb historische Würdigung, weil selten zuvor eine Gesetzesvorlage so einhellig und gnadenlos von der Fachwelt verrissen worden ist: Wirkungslos, was das Wachstum angeht, dafür kompliziert, kleinteilig und ungerecht, weil es Klientelinteressen bedient. Vor allem aber ist es viel zu teuer für Bund, Länder und Kommunen. Höhere Ausgaben für Bildung, Schuldenbremse und niedrigere Steuern." Merkels Regierung könne schon jetzt nicht mehr erklären, wie das alles zusammenpasse.
Die Volksstimme schaut noch einmal auf Peter Harry Carstensen zurück, der "ein paar starke Auftritte" im Widerstand gegen das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gehabt habe. Doch dann sei er umgefallen. "Bei der Abstimmung über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz im Bundesrat hat sich der Chef der schwarz-gelben Landesregierung Schleswig-Holsteins der Parteiraison gebeugt. Es galt eine Abstimmungsniederlage zu verhindern." Die schwarz-gelbe Bundesregierung verbuche nun ihren ersten Erfolg "nach einem Start mit Ministerrücktritt und lautstarkem Streit zwischen CDU, CSU und FDP um die Deutungshoheit über wesentliche Teile des Koalitionsvertrages". Die nun beschlossene Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages sowie die Entlastung des Hotelgewerbes und von Groß-Erben sei "alles auf Pump" und erhöhe die Staatsverschuldung noch mehr. "Und noch nie waren sich Fachleute so einig: Dieses Gesetz schiebt keine Konjunktur an. Dieses Gesetz wird den Steuerzahlern schwer auf der Tasche liegen."
Nachdem sich Peter Harry Carstensen sein Ja habe teuer abkaufen lassen, resümiert der Express, sieht der Mannheimer Morgen nur noch einen Politiker, der es wage das Gesetz zu kritisieren: "In der Koalition traut sich allein Günther Oettinger, die Wahrheit zu sagen, weil er ohnehin nach Brüssel geht. Baden-Württembergs scheidender Ministerpräsident weiß, dass die Bürger die schuldenfinanzierten Steuersenkungen in den nächsten Jahren selbst bezahlen müssen: Bund und Länder werden ihre gigantischen Schuldenberge mit der Kürzung von Leistungen abtragen, in den Kommunen drohen höhere Abgaben und Gebühren. Aber wer will schon kurz vor Weihnachten von Sprengsätzen hören, vor denen Oettinger warnt?"
Pforzheimer Zeitung meint, dass die Zeit reif gewesen wäre für strukturelle Veränderungen, "um unser Gemeinwesen zukunftsfähig zu machen", statt Erben, wohlhabende Eltern oder Hoteliers zu entlasten. Doch Schwarz-Gelb fehle der Mut, "die Reformbereitschaft der Nation zumindest in Ansätzen zu testen. Dabei wäre das allemal einen Versuch wert: Denn im Gegensatz zur Bundesregierung vertrauen die Bürger derzeit nicht darauf, dass es klappen könnte mit dem Aufschwung auf Pump."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger