Pressestimmen

Keine Flugverbotszone über Libyen "Befriedigung nationaler Eitelkeit"

Spricht sich - anders als seine britischen und französischen Kollegen - gegen eine Flugverbotszone über Libyen aus: Außenminister Guido Westerwelle.

Spricht sich - anders als seine britischen und französischen Kollegen - gegen eine Flugverbotszone über Libyen aus: Außenminister Guido Westerwelle.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zurückhaltend, zögerlich, zaudernd und ratlos: So beschreibt die Presse die deutsche Außenpolitik in der Frage nach einer Flugverbotszone über Libyen. Wieder machen die westlichen Staaten denselben Fehler wie bereits bei den anderen nordafrikanischen Staaten: Sie schaden den demokratischen Kräften, verraten sie, lassen sie im Stich.

Für eine Flugverbotszone sei es eh längst zu spät, meint das Mindener Tageblatt. "UN-, EU-, AL- und sonstige Resolutionen, Sanktionen, diplomatischer Druck bewirken nichts. Wer den Diktator jetzt noch erfolgreich in seine Schranken weisen wollte, müsste dafür Militär in Marsch setzen." Das allerdings wolle niemand und werde auch keiner tun, konstatiert das Blatt. Bitter deshalb das Fazit: "Die für mehr Demokratie aufgestandenen Araber und auch alle anderen Untertanen repressiver Regimes in der Welt bekommen gerade eine Lektion in westlicher Moral. Sie werden sie lernen."

Die Süddeutsche Zeitung beobachtet einen Fehler, welchen insbesondere die USA und Deutschland "in den arabischen Revolutionswirren bereits zum zweiten Mal" machen: Ihre "Unentschlossenheit und Zögerlichkeit schadet den Kräften der Demokratie". Dementsprechend fühlten sich die Reformer "verraten und im Stich gelassen". Denn "erst findet sich keine klare Opposition im Ausland gegen Mubarak und Co - Frankreich tütelt mit Ben Ali, Obama mit Mubarak. Dann verstrickt sich der Westen vollständig in seinen eigenen Widersprüchen." Das Blatt sieht eine Lektion, an welche die westliche Politik im Umgang mit den arabischen Staaten zukünftig denken sollte: "Es gibt sie nun, die falsche und die richtige Seite. Und es gibt keine Entschuldigung mehr für alle, die sich jetzt noch nicht entschieden haben, auf welche Seite sie eigentlich gehören."

Auch Der Tagesspiegel bewertet das Verhalten Deutschlands im Fall Libyen als zögerlich und zurückhaltend. Dahinter stecke "eine unmenschliche Überlegung. Man habe keine ausreichende Kenntnis der libyschen Opposition, heißt es, kenne die Hintermänner nicht, wolle auf keinen Fall islamistische Gruppen unterstützen. (...)" Die Zeitung nennt diese Argumente "zynisch". Denn es bedeute "aller Sprachhülsen entkleidet: Bei der Opposition wissen wir nicht, woran wir sind, aber Gaddafi kennen wir." So fragt das Blatt aus Berlin, ob es da überhaupt jemanden wundere, "dass der Diktator das deutsche Verhalten ausdrücklich lobt? (...) Markige Worte sind eine billige Ware, klare Positionen hingegen an der Seite Englands und Frankreichs wären ein gutes Zeugnis dafür gewesen, dass Deutschlands Streben nach einem Sitz in diesem Gremium einen höheren Sinn als die Befriedigung nationaler Eitelkeit hat."

Ebenso resümiert das Handelsblatt: "Der Westen hat keine gute Figur gemacht, als die Bürger in Nordafrika sich gegen die Unterdrücker erhoben haben. Zaudernd und ratlos, so hat er das Freiheitsbegehren über weite Strecken begleitet." Doch Fehler könnten korrigiert werden, meint das Blatt optimistisch. "Ausgangspunkt für neue Glaubwürdigkeit von EU und USA wäre eine neue gemeinsame Regionalstrategie für Nordafrika und den Nahen Osten. Gefördert werden müssen jetzt alle Staaten, in denen das System nicht so brutal zurückschlägt wie in Libyen, Bahrain oder Jemen. Denn es gibt noch reformwillige Länder. Marokko gehört dazu, Tunesien, Jordanien oder Ägypten. Wenn der demokratische Wandel nicht auf halbem Wege stecken bleiben soll, dann muss der Westen hier ansetzen. All jenen Staaten wie Libyen, die sich dem Wandel widersetzen, sollte der Westen konsequent die kalte Schulter zeigen."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger

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