Rentenpläne der möglichen Koalition "Beobachter dürften sich die Augen reiben"
29.10.2013, 19:54 Uhr
Ob die geplante Mütterrente der Union oder das Bestreben der SPD, ohne Abschläge früher in Pension gehen zu können: Die Rentenpläne einer möglichen schwarz-roten Koalition stoßen den Kommentatoren der deutschen Zeitungen sauer auf. Sie warnen vor einem Griff in das Reserven-Sparschwein der Rentenkassen - auch wenn die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage bis Jahresende weiter anwächst.

Der Rentenbeitragssatz kann rein rechnerisch Anfang 2014 von 18,9 auf 18,3 Prozent sinken. Das ergibt sich aus Vorausberechnungen, die die Deutsche Rentenversicherung bekanntgab. Die Ermäßigung müsste aber vor Jahresende von der alten oder neuen Bundesregierung beschlossen werden.
(Foto: dpa)
Der Reutlinger General-Anzeiger stellt fest, dass die erfreulichen Nachrichten der Rentenversicherung zur Unzeit kommen: "Theoretisch wäre es möglich, den Beitragssatz der Rentenversicherung um 0,6 Prozentpunkte zu senken. Sollte es dann auch noch einen Zuschlag für Rentner in der Größenordnung von 2,5 Prozent geben - auch der Beifall der Senioren wäre gewiss". Doch die gute Neuigkeit weckt in Zeiten einer Regierungsbildung nach Ansicht des baden-württembergischen Blattes "Begehrlichkeiten": "Denn die beiden Parteien, die jetzt an den runden Tischen sitzen, um eine neue Regierungskoalition aus der Taufe zu heben, haben im Wahlkampf ordentlich Wohltaten versprochen und müssen jetzt liefern".
Desillusioniert gibt sich die Stuttgarter Zeitung: "Anstatt sich darüber zu freuen, dass die gesetzliche Rentenversicherung nach einer schwierigen Phase in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts wieder Milliardenrücklagen erwirtschaftet, gehen die Überlegungen der Politik in eine andere Richtung". Die Vorschläge von Union und SPD lassen sich nach Ansicht des Kommentators alle auf einen gemeinsamen Nenner bringen: "Die hohen Reserven sollen für viele neue Leistungen verfrühstückt werden. Eher legt sich der Hund einen Wurstvorrat an, als dass die Politik Reserven aufbaut. Sozialpolitik wird immer noch als Verteilungspolitik verstanden. Im vergangenen Jahrzehnt stand das Prinzip der Nachhaltigkeit hoch im Kurs. In der Zeit mit gefüllten Kassen scheint es nun vor allem ums Geldausgeben zu gehen".
Für die Berliner Zeitung sind die Pläne von Union und SPD "die teuersten rentenpolitischen Vorhaben seit Jahren". Der Kommentator aus der Hauptstadt ist sicher: "Die Mütterrente wird ebenso kommen wie die abschlagfreie Frührente für langjährig Versicherte. Eine erste Rechnung haben Union und SPD schon präsentiert: Sie wollen die anstehende Senkung des Rentenbeitrags von 18,9 auf 18,3 Prozent auf Eis legen. Beobachter aus der Ferne dürften sich verwundert die Augen reiben: Wurde in Deutschland nicht jahrelang über die Probleme der gesetzlichen Rente in einer alternden Gesellschaft diskutiert? Hat in der Vergangenheit von Blüms Demografie-Faktor über die Riester-Treppe bis zur Rente mit 67 nicht eine Kürzung die nächste gejagt? Und nun soll es plötzlich mehr Geld für Ruheständler geben?"
Auch die Welt blickt skeptisch auf die Pensionsprojekte der deutschen Politik: "Neue Rentenleistungen sind in ihrer Wirkung das Gleiche wie neue Schulden. Denn die Kosten steigen mit der Alterung der Bevölkerung in den künftigen Jahrzehnten stetig". Für das in Berlin herausgegebene Blatt ist es deshalb schlichtweg "unredlich, mit Blick auf heutige Rücklagen der Rentenkasse Wahlgeschenke auszuteilen, die dann für Jahrzehnte die Ausgaben treiben". Zumal feststehe, dass die Jüngeren hierzulande nicht bereit sein werden, die Last des demografischen Wandels allein zu schultern: "Sie werden Wege finden, sich von den Kosten zu befreien: indem sie ins Ausland flüchten, in die Schwarzarbeit ausweichen oder sich in die soziale Hängematte legen. Die Rente ist nur so lange sicher, wie sie die Finanziers nicht über Gebühr strapaziert".
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de