Gutschein für Bildung und Freizeit "Bonuskarte verstärkt keine Vorurteile"
12.08.2010, 21:11 UhrMittels Chipkarten will das Bundesarbeitsministerium Kindern aus Hartz-IV-Familien den Zugang zu Bildungs- und Freizeitaktivitäten ermöglichen - ein Vorschlag, der von vielen als Diskriminierung der Eltern verstanden wird. Doch dieses Argument lässt die Presse nicht gelten: Die Idee klinge vernünftig und helfe Kindern, einer "schleichenden Isolierung von der Gesellschaft" zu entgehen.

In Stuttgart gibt es bereits die FamilienCard. Nun könnte die Idee bundesweit Karriere machen.
(Foto: dpa)
"Dass nun schon wieder einige laut aufschreien und diese Karte als Diskriminierung der Eltern anprangern, lässt nur noch den Kopf schütteln", kritisieren die Badischen Neuesten Nachrichten die Chipkarten-Gegner. Das Karslruher Blatt fragt sich, warum "fast schon wieder reflexartig" gefordert wird, "das Mehr an Mitteln den Eltern doch bitte bar auszuzahlen? Warum wird nicht vielmehr begrüßt, dass dieses Mehr an Mitteln direkt denen in die Hand gegeben wird, für die es bestimmt ist? Es gibt nun einmal auch Familien, in denen es nicht selbstverständlich ist, dass die Kinder das ihnen zustehende Geld tatsächlich bekommen - auch wenn diese Vorstellung im Weltbild mancher Politiker keinen Platz hat."
"Die Idee von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, an Kinder 'Bildungs-Chipkarten' zu vergeben, klingt vernünftig", kommentiert die Märkische Allgemeine. "Denn damit würde ein Instrument geschaffen, mit dem sichergestellt wäre, dass die zusätzlichen Ausgaben tatsächlich bei den Kindern ankommen." Offen sei jedoch, wie es technisch zu bewerkstelligen sei, die Guthaben einzulösen. Die Zeitung aus Potsdam glaubt, dass das "in einer Großstadt wie Stuttgart, wo das Modell mit Erfolg praktiziert wird", viel einfacher ist als im gesamten Land. Und sie betont: "Wichtig ist auch, dass nicht nur die Kinder von Eltern, die ausschließlich von Hartz IV leben, diese Karte erhalten. Auch für den Nachwuchs der sogenannten 'Aufstocker' und für Kinder von anderen Geringverdienern muss es diese Möglichkeit geben."
"Auch wenn die CSU die Chipkarte als Generalverdacht gegen die Eltern interpretiert: Der Staat darf und sollte in diesem Fall auf Nummer sicher gehen", meint auch die Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg. "Denn wenn es finanziell klemmt, wäre die Versuchung andernfalls sicherlich groß, dem Nachwuchs etwa die teure Jeans zu kaufen, um die er bettelt statt Musikstunden oder Theatertickets von dem Geld zu bezahlen."
Für die Westfälischen Nachrichten ist es ein Vorurteil, "dass alle Hartz-IV-Empfänger ihren Nachwuchs bewusst vor dem Flachbildschirm oder dem PC parken und deren staatliche Hilfe für Zigaretten oder Alkohol vergeuden". Dennoch: "Das Leben mit Kindern in kleinen Wohnungen, mit wenig Geld und noch weniger Anerkennung führt oft zu einer schleichenden Isolierung von der Gesellschaft, zur Abnahme von sozialen Kontakten. Sich mit anderen verabreden das kostet meistens Geld. Die Bonuskarte verstärkt keine Vorurteile, sondern hilft Kindern, diesem Teufelskreis zu entfliehen und das gezielt. Sie können ihren Anspruch auf ein anregungsreicheres Leben durchsetzen."
Die Frankfurter Allgemeine ist skeptisch, ob die Bildungsgutscheine wirksam sein können: "Versuche in den Vereinigten Staaten, einkommensschwachen Familien mit Bildungsgutscheinen Nachhilfe und den Besuch einer privaten High School zu ermöglichen, haben gezeigt, dass die geförderten Schüler weder ihre Mathematik- noch ihre sonstigen Schulleistungen verbessern konnten." Bei den Lesegeräten könne es zudem zu Schwierigkeiten und Missbräuchen kommen. Außerdem "dürften Bildungsscheckkarten auch nur in größeren Städten mit einer guten Infrastruktur einsetzbar sein. Wirkliche Förderung für die Leistungsschwächsten wird es nur an den jeweiligen Schulorten in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Jugendhilfe geben. Dazu bedarf es aber keiner Gutscheine."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig