Der Kassensturz kommt ganz gewiss Das Amen im Wahlkampf
21.09.2009, 21:57 Uhr
Am Ende eines inhaltsleeren Wahlkampfs haben endlich mal zwei der vielen Kämpfer ein wenig die Decke gelupft und diejenigen, die die Krisenrechnung zu bezahlen haben, darunter schauen lassen. Aber nur ein bisschen, findet die Presse.
"Harte Zeiten": Steinbrück (l) und zu Guttenberg als Kabinettskollegen der Großen Koalition ...
(Foto: AP)
"Die gute Nachricht ist: Der Lotto-Jackpot steigt auf 30 Millionen. Die schlechte: 53.400 Mal müsste diese Summe aufgebracht werden, um die öffentliche Verschuldung zu tilgen", rechnet die "Rhein-Neckar-Zeitung" (Heidelberg) vor. "Der Kassensturz kommt nach dem Wahltag so sicher wie das Amen in der Kirche. Für die nächste Legislaturperiode heißt das: sparen und umschichten." Alle, "die jetzt noch die großen Spendierhosen anhaben, von Lafontaine über Westerwelle bis Seehofer, werden sich schon nächste Woche Feigenblätter besorgen müssen, um ihre steuerpolitischen Blößen zu bedecken."
... und als Wahlkämpfer für die CSU in Aschaffenburg ...
(Foto: dpa)
Kurz vor Schluss geraten die schwarzen Löcher beim Bund, bei den Ländern, bei den Kommunen, bei den Sozialversicherungen doch noch dorthin, wo sie hingehören: "in den Mittelpunkt des Wahlkampfs", kommentiert die "Frankfurter Rundschau" die Ausführungen von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU). "Die Kanzlerin aber pfeift Guttenberg zurück und distanziert sich von den mahnenden Worten", kritisiert das Blatt und fragt: "Das bisschen soll zu viel Ehrlichkeit gewesen sein? Es war zu wenig. Auf was sollen wir denn verzichten? Da bleiben Steinbrück und Guttenberg stumm wie allen anderen auch. Das ist angesichts der gewaltigen Herausforderungen dreist, um nicht zu sagen unverschämt gegenüber den Wählern."
... beziehungsweise die SPD in Mettmann.
(Foto: AP)
Die in Lüneburg erscheinende "Landeszeitung" kommentiert die Spardebatte so: "Gegen Ende eines für eine entwickelte Demokratie erschreckend inhaltsleeren Wahlkampfes schimmert doch noch ein Körnchen aufrüttelnde Wahrheit durch das einlullende Trugbild, an dem die Parteien so eifrig malten: 'Harte Zeiten' kämen auf die Bundesbürger zu, orakelten … Steinbrück und Guttenberg. Eine Aussage, die beide kaum in die Schlagzeilen gebracht hätte, wenn sich die Wahlkämpfer bisher nicht vor allem als Schönredner betätigt hätten. … Wählerfang mit dem Versprechen von Steuersenkungen, wie ihn CSU und FDP versuchen, ist nicht weniger als die verantwortungslose Einladung zu einem Tanz auf dem Vulkan."
Das "Handelsblatt" schreibt: "So herzlich wie einst Karl Schiller und Franz-Josef Strauß in der ersten Großen Koalition werkelten sich Plisch und Plum in der Neuauflage durch die Themen Haushalt und Steuersenkungen, Erbschaft- und Unternehmensteuer. Nur nicht so klar und kantig. Beim Wichtigsten waren sich beide schnell einig: Harte Zeiten kommen auf die Deutschen zu. Doch wen es treffen wird, könne man partout nicht sagen. Nicht aus Feigheit vor dem Bürger! Nein, aus Mut gegenüber allen Lobbyisten, die man nicht aufwecken dürfe.
Die "Berliner Zeitung" findet, dass Steinbrück und Guttenberg zumindest einen kleinen Schritt in Richtung Wahrheit taten, der aber längst nicht ausreiche. Beide stimmten die Wähler auf das ein, "was diese längst wissen". Steinbrück habe zwar schon früh auf die Löcher hingewiesen," er verweigert sich aber konsequent einer Debatte über das Stopfen derselben. Wer, wenn nicht der Finanzminister, müsste darüber sprechen? Und geradezu grotesk wirken die Aussagen zu Guttenbergs, wenn seine Partei nur Stunden später ein Sofortprogramm beschließt, das neue Schulden von mehr als 20 Milliarden Euro verursacht."
Auch der "Dithmarschen Landeszeitung" und der "Badischen Zeitung" sind die Mahnungen Steinbrücks und Guttenbergs viel zu unkonkret. "Steinbrück und zu Guttenberg haben die Gelegenheit zu einer Schweiß-und-Tränen-Rede verpasst, auch wenn diese ohnehin eher ins Aufgabengebiet der Bundeskanzlerin gehört", schreibt die "Dithmarscher Landeszeitung". "Der Wähler hat ein Recht darauf, auch schon vor der Wahl zu erfahren, was die Regierung mit ihm vorhat."
Und die in Freiburg erscheinende "Badische Zeitung" fragt empört: "Ja, für wie einfältig halten die uns eigentlich? Am Sonntag sollen wir einen Bundestag wählen - aber weder der Finanz- noch der Wirtschaftsminister will uns konkret sagen, wie viel künftig gespart werden soll. Stattdessen soll so manch Liebgewonnenes auf den Prüfstand, nebulöser geht es kaum. ... Wer bis dato noch nicht parteien- und wahlkampfverdrossen war, der wird's angesichts dieser Spielchen."
Quelle: ntv.de