Pressestimmen

Losentscheid beim NSU-Prozess "Das Ergebnis ist lächerlich"

Der Notar Dieter Mayer, die Pressesprecherin Andrea Titz und der Präsident des Oberlandesgerichts München, Karl Huber auf der Pressekonferenz zur Platzvergabe im NSU-Prozess.

Der Notar Dieter Mayer, die Pressesprecherin Andrea Titz und der Präsident des Oberlandesgerichts München, Karl Huber auf der Pressekonferenz zur Platzvergabe im NSU-Prozess.

(Foto: dpa)

Das Oberlandesgericht München vergibt in einem zweiten Verfahren per Los die Presseplätze für den mit großer Spannung erwarteten NSU-Prozess. Das Ergebnis löst eine Welle der Kritik aus. Denn während regionale Hit-Radiosender eine Akkreditierung erhalten, gehen viele große deutsche Zeitungen und internationale Medien leer aus – einige erwägen sogar eine neue Klage. In der Tagespresse lassen sich jedoch auch Stimmen vernehmen, die ein Ende der Diskussion um die Platzvergabe fordern.

So verlangt der Fränkische Tag von den Medien "jetzt endlich einen Schlussstrich unter das leidige Thema Akkreditierung zu ziehen und den Losentscheid so zu akzeptieren, wie er gelaufen ist". Die wahren Verlierer seien letzten Endes die Angehörigen der Opfer: "Ihr Leid und ihre Kraft wurde wegen der Prozessverschiebung um weitere drei Wochen auf eine harte Probe gestellt. Sie haben endlich Gerechtigkeit verdient." Die Medien sollten sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren: "die juristische Aufarbeitung der Taten von Beate Zschäpe und ihrer vier mutmaßlichen Helfer. Alles andere spielt keine Rolle mehr."

Die Hessische Niedersächsische Allgemeine zeigt ebenfalls wenig Verständnis für die Aufregung der Deutschen Medien: "Entlarvend ist die Kritik des Deutschen Journalistenverbandes (DJV): 'Das Ergebnis ist zweifelhaft', schreibt der DJV-Vorsitzende Michael Konken. Wohlbemerkt: das Ergebnis, nicht das Verfahren. Aber auch Konken müsste wissen, dass man nicht so lange wählt, bis auch noch dem Letzten das Ergebnis passt. Irgendwann muss mal gut sein, und dieser Zeitpunkt wurde beim Streit um die Journalistenplätze spätestens jetzt erreicht." Es gebe ausreichend Möglichkeiten durch Kooperation und Poolbildung eine umfassende Berichterstattung zu ermöglichen, kommentiert die Zeitung weiter und fügt abschließend hinzu: "So erweist sich die mediale Aufregung schnell als ganz normales Konkurrenzgerangel. Auswahl gibt es genug. Die Pressefreiheit ist nicht in Gefahr."

"Der Verdruss wird bleiben", bemerkt hingegen die Frankfurter Rundschau und wähnt den Schuldigen in München: "Das Problem liegt in der Übervorsicht des Oberlandesgerichts (OLG), das um keinen Preis eine erfolgreiche Revision riskieren will und sich darum weigert, die Verhandlung per Video in einen Arbeitsraum für Journalisten zu übertragen. Das Risiko, dass das Bundesverfassungsgericht die Übertragung verbieten würde, ist lächerlich gering, verglichen mit dem Verdruss, den die kuriosen Versuche des OLG, den Platzmangel zu gestalten, schon bisher verursacht haben."

Auch der Tagesspiegel ist unzufrieden mit dem Losverfahren: "Das Ergebnis ist lächerlich", moniert die Zeitung und begründet: "Einen Platz am braunen Sumpf hat jetzt die polnischsprachige Redaktion von 'Radio Lora München', die den Stand der Germanistik auf den polnischen Universitäten mit der Polonistik auf deutschen Hochschulen vergleicht. Am Catwalk sitzt die 'Brigitte', für eine kleine Stilkritik von Beate Zschäpe. Vom Prozess berichtet "Münchens Hit-Radio 'Charivari', 'Ebru TV', 'Hallo-München.de', 'Radio Lotte Weimar', und bei allem Respekt: Da stimmt was nicht."

Dem kann die Welt nur zustimmen: "Das Münchner Oberlandesgericht hat sich mit der Auslosung der Presseplätze im NSU-Verfahren keinen Gefallen getan. Es kann nicht sein, dass Medien, die ernsthaft und mit tiefer Recherche seit Jahren über den Fall NSU berichten, nun außen vor bleiben sollen, während Radiosender wie TOP FM einen garantierten Platz im Gerichtssaal haben." Das sei eine Missachtung nicht nur der großen Medien in diesem Land, "sondern auch all der Interessierten, die nun in den überregionalen Blättern die Prozessberichterstattung nicht verfolgen können". Das Oberlandesgericht, so die Zeitung weiter, habe noch immer nicht verstanden: "wie wichtig es ist, besonders in diesem Verfahren so offen und transparent wie möglich vorzugehen".

Besonders vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es bei dem NSU-Prozess um "eine nationale Sache im schrecklichen Sinn" gehe, sei das Losverfahren "weltfremd und nicht sachgerecht" durchgeführt worden, kommentiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Angesichts der Tragweite des Verfahrens "hätte ein verständiges Gericht, wenn es schon Kontingente bildet, auch Medien mit einem nationalen Anspruch berücksichtigen müssen", so die Zeitung abschließend.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen