Gäfgen-Urteil spaltet Deutschland "Das Gesetz gilt auch für Mörder"
04.08.2011, 22:23 UhrBeim Versuch, das Leben des elfjährigen Jakob von Metzler zu retten, drohen Polizeibeamte Magnus Gäfgen vor neun Jahren mit Folter. Das Land Hessen muss dem verurteilten Kindsmörder deswegen eine Entschädigung von 3000 Euro zahlen. Für die Beobachter steht fest: Kläger Gäfgen fehlt "jegliche Sensibilität für ein soziales Miteinander". Und trotzdem sei das Urteil des Frankfurter Landgerichts in einem Rechtsstaat alternativlos. "Anderenfalls könnten sich Menschen ermuntert fühlen, mit Folter zu drohen, die keinen so guten Grund haben wie damals der Polizist Wolfgang Daschner."
"Wann endlich werden die Regeln für die Prozesskostenhilfe verschärft? Wer traut sich, den Instanzenweg zu beschneiden?", fragt die Stuttgarter Zeitung. Das Blatt sieht dringenden Handlungsbedarf, denn "die Rechtswege sind zu lang und die Möglichkeiten zu groß, sich auf Kosten des Steuerzahlers durch die Instanzen zu klagen."
Magnus "Gäfgen spielt auf den Paragrafen des Rechtsstaates seit geraumer Zeit regelrecht Klavier", meint auch die Saarbrücker Zeitzung. Allerdings habe "die Folterandrohung" ihm dies auch leicht gemacht. "Das Gesetz kennt aus sehr guten Gründen nur ein hundertprozentiges Folterverbot. Das Gesetz gilt auch für Mörder, wie schlimm sie auch sein mögen." Auch wenn das Urteil nicht wenige erzürnen dürfte, "wer nicht Lynchjustiz, Scharia oder andere Rechtssysteme will, der muss es aushalten".
Ähnlich äußert sich die Märkische Allgemeine aus Potsdam. Natürlich müsse man "das Auftreten Magnus Gäfgens widerlich finden". Schließlich habe er "für sein Opfer kein Mitleid" empfunden und "für ihm angedrohte - nicht zugefügte - Schmerzen finanziell entschädigt werden" wollen. Trotzdem sei das Urteil richtig: "Die Androhung der Folter gilt in diesem Fall als erwiesen. Hätte das Gericht den Anspruch des Klägers zurückgewiesen, hätte es die Androhung von Folter in Deutschland für zulässig erklärt."
Auch der Münchner Merkur sieht im Urteil den deutschen "Rechtsstaat" bestätigt. Trotzdem bleibe ein fader Beigeschmack – "weil es schwer zu ertragen ist, einen Menschen unerbittlich, penetrant und schließlich erfolgreich auf 'sein gutes Recht' pochen zu sehen, der selbst einem kleinen Buben das Grundrecht auf Leben gnadenlos entzog."
"Wir müssen es ertragen, dass Recht und Gerechtigkeit bisweilen verfeindete Brüder sind", hält die Lüneburger Landeszeitung fest. Zwar sei die Gewaltandrohung damals "das moralisch Richtige" gewesen, doch "manchmal wird das, was moralisch richtig ist, bestraft". Und das sei durchaus richtig: "Anderenfalls könnten sich Menschen ermuntert fühlen, mit Folter zu drohen, die keinen so guten Grund haben wie damals der Polizist Wolfgang Daschner."
Die Leipziger Volkszeitung schiebt dagegen das "schwer erträgliche Urteil beiseite" und sieht im Fall Gäfgen der Gerechtigkeit durchaus Genüge getan: "Die Beamten, die ihn mit der - verbotenen - Folter bedrohten, sind dennoch faktisch nicht bestraft worden. Das war richtig. Der Täter erhielt trotz der unerlaubten Verhörmethode Lebenslänglich. Eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren ist ausgeschlossen. Auch das ist angemessen." Gäfgen werde womöglich nie wieder auf freien Fuß kommen – "3000 Euro ändern daran nichts".
"Als Opfer inszenieren" könne sich Gäfgen durch das Urteil obendrein nicht, hält die Hessische/Niedersächsische Allgemeine aus Kassel fest: "Die Zivilkammer lehnte nicht nur seine dreiste Schmerzensgeldforderung ab, sondern bürdete ihm auch vier Fünftel der Prozesskosten auf." Gegen das Urteil Berufung einzulegen, bleibe Gäfgens "gutes Recht. Aber es wirft auch einen Blick auf die Persönlichkeit des Kindsmörders: Arrogant, selbstsüchtig und ohne Reue."
Einen Blick in die Psyche Gäfgens wagt auch das Offenburger Tageblatt. Seine "Prozesshanselei" sei nur ein Beleg dafür, "wie uneinsichtig und ignorant er ist. Und so spricht die Zeitung ihm "jegliche Sensibilität für ein soziales Miteinander" ab. Dabei sei es bedauerlich, dass er in seinem Anwalt Michael Heuchemer "jemanden gefunden hat, der den prozessualen Teufelsritt immer wieder neu unterstützt".
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Michael Kreußlein