Los entscheidet über Platzvergabe bei NSU-Prozess "Das Kind ist längst in den Brunnen gefallen"
19.04.2013, 20:44 Uhr
(Foto: dpa)
Die Presseplätze im NSU-Prozess werden nun per Losverfahren vergeben. Dabei werden Kontingente gebildet und zwischen in- und ausländischen Medien unterschieden. Innerhalb der deutschen Medien wird dann nochmals nach Art der Medien differenziert. In den deutschen Tageszeitungen wird das neue Verfahren zutiefst kritisiert. Die Entscheidungen des Münchner Gerichts sind für die meisten Kommentatoren nicht nachvollziehbar.
Die Saarbrücker Zeitung etwa vergleicht die Platzvergabe per Losverfahren mit Lottospielen. Sie schreibt: "Eine befriedende Wirkung wird die neue Auswahl nicht haben. Zumal die Einteilung in Kontingente neue Fragen aufwirft. Das Gericht bewertet damit indirekt die Bedeutung von Medien. Das steht ihm aber nicht zu."
Lediglich die Südwest Presse begrüßt die Neueinteilung per Los. Für sie steht fest, dass die mediale Öffentlichkeit so zumindest angemessener repräsentiert werde, als in der ersten Runde. Die Regeln findet sie nun "transparent und sinnvoll". Das Ablehnen einer Videoübertragung für Medien in einen anderen Gerichtssaal wird allerdings beklagt. Dies sei nicht nachvollziehbar.
Das Delmenhorster Kreisblatt kritisiert, wie der Prozess von Anfang an angegangen wurde: "Das Kind ist längst in den Brunnen gefallen. Hätten die Richter dem Prozess von Beginn an einen passenden Rahmen, sprich: einen großen Saal gegeben, wäre die Posse vermieden worden. Nun verpassen sie die Chance, mit einer rechtssicheren Videoübertragung den Fehler zu korrigieren und machen lieber die Justiz zur Losbude. Das ist beschämend."
Auch die Heilbronner Stimme findet, das Münchner Gericht werde der Bedeutung dieses "Jahrhundertprozesses" nicht gerecht. Für sie steht der Prozessauftakt unter keinem guten Stern. Sie meint aber auch, dass das Ergebnis des Prozesses bei all dem Wehklagen nicht in den Hintergrund geraten sollte.
Für die Stuttgarter Zeitung ist klar, dass die Justiz im NSU-Prozess reaktionäre Wege geht. Sie meint: "Wir sind gerade auf dem Weg zurück, hin zu einer Justiz, die sich selbst immer wichtiger nimmt - so wie einst im Obrigkeitsstaat. Die Gerichtsberichterstattung hat - zu besseren Zeiten - die Justiz ein bisschen verändert, eine ursprünglich autoritäre Berufsgruppe mit den Erwartungen einer demokratischen Öffentlichkeit vertrauter gemacht, beide miteinander versöhnt."
Quelle: ntv.de