Einführung der Frauenquote "Das Schlachtross galoppiert wieder"
31.01.2011, 20:14 Uhr
Was den Streit im Kabinett angeht, werden manche darin an eine Art Zickenkrieg erinnert. Nach Lesart der Bundeskanzlerin ist es aber ein ganz "normaler Diskussionsprozess".
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Frauenquote ist in aller Munde. Plötzlich wollen sie fast alle, doch jeder auf seine Weise: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) strebt eine verbindliche Quote von 30 Prozent in Vorständen und Aufsichtsräten großer börsennotierter Unternehmen an. Sie geht damit erneut auf Gegenkurs zu Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Schröder setzt auf eine Soft-Variante mit einer "Pflicht zur Selbstverpflichtung" ohne starre Quote. Sie kann sich damit der Unterstützung der Wirtschaft sicher sein. Und auch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat schon Beistand signalisiert. SPD und Grüne sind sogar für 40 Prozent, die Linken für 50 Prozent Frauenanteil in den Führungsetagen der Wirtschaft. Und Bundesanzlerin Angela Merkel? Die sieht in dem Streit einen "normalen Diskussionsprozess".
"30, 40 oder 50 Prozent, wer bietet mehr?", fragt das Obermaintagblatt aus Lichtenfels. Um die Einführung einer Frauenquote bei Großkonzernen sei ein regelrechter Wettbewerb unter den Parteien entbrannt. "Pikanterweise auch innerhalb der Regierung. Mit ihrer Forderung nach einer festen 30-Prozent-Quote hat Arbeitsministerin von der Leyen ihre junge Kollegin Kristina Schröder ebenso übertrumpft wie die liberale Skeptikerin Leutheusser-Schnarrenberger. Das Schlachtross von der Leyen, das schon Elterngeld und Vätermonate gegen vielfachen Männerwiderstand in der Union durchgeboxt hatte, galoppiert wieder. Die nach der Kanzlerin zweitstärkste Frau der Koalition profiliert sich erneut als Vorkämpferin für ihre Geschlechtsgenossinnen und bringt sich ganz nebenbei wieder in Stellung."
Der General-Anzeiger meint zur Einführung einer Frauenquote in Unternehmen: "Als Krücke, als vorübergehendes Hilfsmittel, um Frauen in Führungspositionen zu bringen, mag die Quote sinnvoll sein. Unterschiedlich. Je nach Branche. Auch wenn dieser Vorschlag von einer Ministerin kommt, die nur deshalb im Amt ist, weil Hessen im Kabinett vertreten sein muss". Zu der einen Krücke müssten viele andere Hilfsmittel kommen, ist sich die in Bonn herausgegebene Zeitung sicher: "Geändertes Rollenverhalten: mehr Männer müssen mehr Toleranz für ihre abwesenden Karrierefrauen aufbringen. Mehr Unternehmen müssen viel mehr für Frauenförderung tun, indem sie etwa Kinderbetreuung anbieten".
Die Lübecker Nachrichten sprechen sich für die Einführung einer Frauenquote in Unternehmen aus: "Frauen tönen selten laut: Ja, das kann ich. In der männlich geprägten Arbeitswelt darf das nicht länger als Schwäche gelten. Wenn eine Quote dazu führt, dass Firmen mehr in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen stecken warum nicht? Wenn ein Land, das über Fachkräftemangel jammert, unter gesetzlichem Zwang merkt, dass es immer noch Scharen von qualifizierten Frauen den Wiedereinstieg nach der Schwangerschaft erschwert: dann her mit der Quote. Und zwar genau so lange, wie unbedingt nötig".
Auch für die Stuttgarter Zeitung ist die Quote das "beste vielleicht sogar das einzige Mittel, um schnell etwas zu erreichen". Sie sei nichts anderes als ein unbestechliches Messinstrument für das Erreichte, und genau deshalb ist es das richtige: "Es wird einfach nur gezählt: wer zu wenige Frauen an der Spitze hat, muss nachbessern und zwar unter allen Umständen. Angesichts des heutigen Qualifikationsniveaus von Frauen ist das kein unlösbares Problem".
"Man mag zur Quote stehen, wie man will, die Regierung gibt in dieser Frage ein jämmerliches Bild ab", konstatiert der Mannheimer Morgen. "Statt an einem Strang zu ziehen und Meinungsverschiedenheiten diskret zu klären, sagen sich die Ministerinnen via Medien lautstark die Meinung. Untermalt werden diese Dissonanzen von schrägen Tönen aus den Koalitionsreihen." Für die Tageszeitung ist klar: "Frauen, die auf dem Weg nach oben noch immer an Hürden stoßen und weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, werden darüber nur den Kopf schütteln".
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke