"Der gläserne Bürger" Datenschutz
21.04.2009, 21:06 UhrLidl, Telekom und Bahn. Während Unternehmen ihre Angestellten ausspähen, sammelt der Staat immer mehr Informationen über seine Bürger. Persönliche Daten sind wertvoll. Darum will sie jeder haben. Der oberste Datenschützer Peter Schaar warnt vor zunehmenden Datenmissbrauch und der Verwässerung des geplanten Datenschutzgesetzes. Die Presse schließt sich seiner Meinung an, fordert aber zusätzlich mehr staatsbürgerliche Verantwortung.
Das deutsche Datenschutzgesetz stammt von 1978, einer "medialen Steinzeit-Epocheohne Online-Banking und Payback-Karten", erklärt die Dresdner Neueste Nachrichten. Daher wundere nicht, wenn Datenschutzbeauftragter Schaar die Berliner Tatenlosigkeit geißele und zu Recht auf eine neue Datenschutzreform dränge. Wenn "Sorglose in zweifelhaften Foren Seelenstriptease betreiben und Privates für jedermann öffentlich machen" könne aber auch Herr Schaar nur machtlos zuschauen. Die Debatte ist nun einmal janusköpfig: "Bei Anti-Terror-Trojanern oder Spitzelattacken ist der Aufschrei groß, die Naivität mancher Internet-Surfer wird dagegen milde belächelt." So resümiert das Blatt: "Eigenschutz aber kann der Gesetzgeber nicht verordnen."
Der General-Anzeiger gönnt Peter Schaar die aktuelle Aufmerksamkeit, denn wann zuvor "konnte ein Bundesbeauftragter für den Datenschutz einer breiteren Öffentlichkeit so eindrücklich vor Augen führen, was es heißt, wenn der Datenschutz von Arbeitnehmern, Kunden und Privatpersonen geschleift wird". Beängstigend sei die Qualität mit der "Unternehmen im elektronischen Zeitalter Daten von Beschäftigten und Kunden rastern oder weitergeben", kommentiert das Blatt aus Bonn. Doch "Datenschutz heißt gerade in Betrieben auch Vertrauensschutz". Wenn dieser beschädigt werde, sei der Betriebsfrieden doch wohl meist dahin. Und das hat "unweigerliche Folgen für die Produktivität", analysiert die Zeitung und kommt zu dem Fazit: "Das kann nicht im Interesse der Firmen sein."
Die Märkische Allgemeine sieht die Privatwirtschaft als Hauptschuldigen: Nicht bei Online-Ermittlern oder Polizei spielten sich "die wirklichen Daten-Skandale (ab), bei denen missbräuchlich persönliche Angaben gerastert wurden". Es waren die privaten Unternehmen, die Adressdaten-Listen weiterverkauften. Dies habe doch offenbar zu keinen schwerwiegenden Verstößen geführt – "wenn man von lästiger Werbung einmal absieht". Wirtschaftsskandale hin oder her: Auf einem Gebiet gebe es den "gläsernen Bürger" bereits, vor dem der Datenschutzbeauftragte warnt: "Alle finanz- und steuerrelevanten Einrichtungen sind nahezu perfekt vernetzt, damit dem Fiskus kein Euro des Bürgers aus den Augen geraten kann."
Die Märkische Oderzeitung macht nicht nur auf die finanzrelevanten Daten aufmerksam und stellt die "Vorratsdatenspeicherung (und das) zentrale Melderegister" in den Mittelpunkt. Diese würden mit der Terrorbekämpfung begründet und seien ganz sicher nicht "dem Datenschutz der Bürger entsprechend". Das eigentliche Problem sei doch, dass niemand überprüfen könne, "wofür die Daten verwendet werden, liegen sie erst einmal vor". Deshalb sollte jeder Bürger erkennen, "dass er sich selbst schützen kann und muss", schreibt das Blatt aus Frankfurt. "Denn wer persönliche Angaben großzügig im Internet streut, kann rasch auch zum Opfer werden."
"Der Datenschutzbeauftragte weist uns zu Recht darauf hin, dass seine Behörde nicht beabsichtigt, als Super Nanny über eine Schar von Einfaltspinseln zu wachen", schreibt die Berliner Zeitung. Das Blatt appelliert an die gesellschaftliche Verantwortung: "Wenn das, was wir bei der Bahn und bei Lidl Skandal nennen, Aufschluss über die Norm- und Wertvorstellungen unserer Gesellschaft geben soll, dann sind wir aufgefordert zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit persönlichen Daten." Es sei nicht die alleinige Aufgabe des Datenschutzbeauftragten, den "staatlichen Zugriff auf diese Daten" zu kontrollieren. Zu Recht verlange er "nach einer gesellschaftlichen Kontrolle".
Zusammengestellt von Julia Jaroschewski
Quelle: ntv.de