Zum Tod von Nelson Mandela "Der Größte unserer Zeit"
06.12.2013, 21:55 Uhr
Nelson Mandela ist tot. Im Alter von 95 Jahren stirbt der südafrikanische Friedensnobelpreisträger und hinterlässt eine Nation in Trauer. Die deutsche Presse erinnert an die Leistungen des weltberühmten Freiheitskämpfers und Präsidenten und nutzt den Anlass, um den Zustand der südafrikanischen Demokratie kritisch zu hinterfragen.
"Die fröhliche Regenbogennation, von der Mandela träumte, ist Südafrika in den 23 Jahren seit seiner Haftentlassung nicht geworden", schreibt die Welt. Ohne Mitstreiter, so die Zeitung weiter, hätte selbst die Symbolfigur Mandela nicht genügend Wirkungsmacht entfalten können: "Die Kraft, die er ausstrahlte, blieb singulär. Auch wenn er Versöhnung predigte - die Last der Vergangenheit wog zu schwer. Mandelas Partei, der ANC, machte sich mit allen unschönen Folgen, die das hat, zur Staatspartei." So zeige sich, dass auch eine weitgehend gewaltlose Revolution nicht fähig sei, "den neuen Menschen hervorzubringen".
Auch die Stuttgarter Zeitung sieht den Traum von der Regenbogennation in Gefahr: "Noch einmal wird sich der regierende Afrikanische Nationalkongress im Licht seines einstigen Präsidenten sonnen - und auf diese Weise den trostlosen Zustand zu übertünchen suchen, in dem sich die 101 Jahre alte Organisation befindet. Der Traum von der Regenbogennation ist im Begriff, der Wirklichkeit eines von raffgierigen intellektuellen Zwergen bedrohten Staates zu weichen." Im Andenken an "den größten Ihrer Söhne" sollten sich die Südafrikaner "auf die Qualitäten ihres einstigen Präsidenten, auf seine Würde, seine Standfestigkeit und seine tiefe Menschlichkeit zurück (…) besinnen".
Die Süddeutsche Zeitung betont die integrative Funktion der Figur des ehemaligen Präsidenten: "Er war der, auf den sie sich alle einigen konnten, egal welcher Hautfarbe." Dies sei angesichts der Nachfolger Mandelas, von denen das Land "eher geplagt" sei, ein besonderes Glück gewesen: "Auch wenn man an denen mitunter verzweifeln muss, im Hintergrund war immer noch der alte Mann, der kaum noch sprach und kaum mehr zu sehen war, aber: Er war da. Er tat nichts mehr und tat doch das Entscheidende: Er bildete die Klammer, die das Land zusammenhielt." An der Frage, was jetzt aus Südafrika wird, entscheide sich das Lebenswerk Nelson Mandelas, schreibt das Stuttgarter Blatt und abschließend: "Es wäre die Krönung, wenn Südafrika nun allein gehen könnte."
Auch die Leipziger Volkszeitung betont die Fähigkeit Mandelas, Menschen unterschiedlichster politischer Lager an einen Tisch zu bringen: "Nelson Mandela verkörpert wie kein anderer die Überzeugung, auch scheinbar unüberwindbare Verhältnisse aufbrechen zu können. Für dieses kompromisslose Eintreten für Recht, Würde und Freiheit der Unterdrückten wird Mandela zurecht weltweit geachtet. Vor dem Friedensnobelpreisträger verneigen sich Politiker, die sonst in gegensätzlichen Lagern zu verorten sind. Diese Tatsache zeigt die enorme integrative Kraft des einstigen Präsidenten Südafrikas." Jedoch werfe sie auch ein Licht auf die "Verlogenheit jener Politiker, die Mandela Elogen singen, sich aber in ihrem Tun auf angebliche Alternativlosigkeit berufen, um letztlich egoistische Interessen durchzusetzen". Die Euro- und Bankenkrise, Armut, Hunger und Umweltverschmutzung Folgen gesellschaftlichen Tuns und Unterlassens. Mandelas Leben wirklich zu ehren hieße deshalb, "das Leben der Menschen zu verändern".
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht die politischen Entwicklungen in Südafrika seit der Apartheid trotz aller Rückschläge als Vorbild für die Welt: "Der Übergang von der Herrschaft einer Minderheit zu einer demokratischen Ordnung vollzog sich weitgehend friedlich." Das habe auch daran gelegen, dass Mandela in seinem weißen Vorgänger im Präsidentenamt, de Klerk, "einen Partner fand, der historischen Mut zeigte." In vielen anderen afrikanischen Ländern sei die Befreiung vom Kolonialismus blutig verlaufen, schreibt die Zeitung weiter und kommentiert: "Insofern, bei allen Unzulänglichkeiten, Fehlern und Enttäuschungen, war und ist Südafrika ein Beispiel für die Welt." Daher sei der Tod Nelson Mandelas "ein globales Ereignis, deshalb wird überall um ihn getrauert". Die Welt habe einen großen Mann verloren, konstatiert das Blatt aus Frankfurt und fügt abschließend hinzu: "Er war vielleicht der Größte unserer Zeit, voller menschlicher Güte, politischer Großzügigkeit und Weitsicht."
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.
Quelle: ntv.de