Friedrich tritt zurück "Der erste Dominostein"
14.02.2014, 21:48 Uhr
Hans-Peter Friedrich ist das erste politische Opfer der Affäre um Edathy. Weil bekannt geworden ist, dass der Bundesagrarminister Informationen über die Ermittlungen gegen den SPD-Politiker weitergegeben hat, erklärt er seinen Rücktritt. Ein richtiger Schritt, meinen die deutschen Tageszeitungen und rechnen mit weiteren Konsequenzen für die Große Koalition.
"Gut so", kommentiert der Tagesspiegel den Rücktritt Friedrichs. Angesichts der Hintergründe der Affäre um den SPD-Politiker Edathy gibt das Blatt zu bedenken: "Was ist das für ein Rechtsstaat, was für ein unglaubliches Geflecht zwischen Ämtern und Parteipolitik, zwischen Exekutive, Legislative und Judikative? Wenn wir von weniger gefestigten Staaten hochtrabend als Bananenrepubliken reden - künftig bitte daran denken, dass auch hierzulande Südfrüchte offenbar bestens gedeihen."
Das Delmenhorster Kreisblatt sieht in dem Skandal eine gute und eine schlechte Seite: "Zunächst die schlechte: Man kann schon nach wenigen Tagen sagen, dass die parlamentarische Demokratie samt Gewaltenteilung in der öffentlichen Wahrnehmung Schaden genommen hat. Die gute Seite der Edathy-Affäre: Zum Glück bleiben in diesem Land die meisten politischen Mauscheleien und Vertuschungsversuche nicht ungestraft." Der Rücktritt von CSU-Bundesminister Friedrich, so das Blatt abschließend, "dürfte erst der Anfang gewesen sein".
Die Welt wundert sich über das Verhalten der beteiligten Akteure: "Es ist mehr als seltsam, dass gestandene Politiker so töricht versagen konnten. Sowohl Friedrich als auch der Volljurist Oppermann, vom SPD-Chef Gabriel zu schweigen, hätten wissen müssen, wie mit den Informationen der Staatsanwaltschaft rechtlich und politisch sauber umzugehen ist." Über die das Verhalten Oppermanns urteilt das Blatt: "Selbst wenn Jörg Ziercke tatsächlich so eisig geschwiegen haben sollte, wie er behauptet, so bleibt Thomas Oppermanns Anruf im Bundeskriminalamt ein geradezu atemraubender Akt der Machtherrlichkeit. Man darf vor Glück seufzen, dass dieser Mann nicht Innenminister geworden ist." Abschließend spekuliert die Zeitung aus Berlin über weitere Folgen der Affäre: "Wird es bei einem Rücktritt bleiben? Man muss nicht in der Stimmung des großen Reinemachens sein, um weitere Konsequenzen für wahrscheinlich zu halten."
Über die Konsequenzen der Edathy-Affäre schreibt die Süddeutsche Zeitung: "Die Folgen für die Koalition darf man nicht unterschätzen. Der Zauber des Anfangs ist schlagartig vorbei. Außerdem ist die Sache mit dem Rücktritt ja nicht erledigt. Friedrich könnte nur der erste Dominostein sein." Die Staatsanwälte hätten bereits erklärt, ermitteln zu wollen, "welcher Politiker wann welche Information weiter gegeben hat". Schließlich gebe es den Anschein, dass irgendjemand Edathy informiert habe, schreibt das Blatt und kommentiert im Hinblick auf die Sozialdemokraten: "In den nächsten Wochen dürften also auch SPD-Politiker ins Visier geraten. Mitleid von der CSU dürfen sie dabei nicht mehr erwarten."
Auch die Frankfurter Rundschau befürwortet die Entscheidung des nun ehemaligen Bundesagrarministers: "Ein Politiker, der Loyalität zu den guten und verteidigungswerten Seiten unseres Rechtsstaats besitzt, darf nicht über 'Supergrundrechte' fabulieren. Und er darf nicht die Verschwiegenheit über ein Verfahren brechen, dessen Bekanntwerden die Ermittlungen torpedieren oder, im Unschuldsfalle, einen Unbescholtenen vernichten könnte." Es gehe um die Grundsätze, so die Zeitung weiter, "die das Fundament eines freiheitlichen Gemeinwesens bilden." Niemand, der diese Regeln missachte, "darf herausgehobene Verantwortung für dieses Gemeinwesen tragen". Auch SPD-Politiker würden sich angesichts dieser Tatsache nun Fragen stellen müssen: "Noch sind sie nicht akut in Gefahr. Aber käme da noch etwas, dann geriete die große Koalition ins Wanken. Nicht wegen ihrer farblosen Politik, sondern wegen akuter Rechtsblindheit in den eigenen Reihen."
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht in dem Fall Edathy eine Gefahr für die Regierungskoalition: "Möglicherweise ist nicht nur das Willy-Brandt-Haus so undicht gewesen wie ein Sieb, sondern auch der Sicherheitsapparat, mit dem Edathy gut verdrahtet war. Jedenfalls sind nach Darstellung der Staatsanwaltschaft vor der Durchsuchung von Edathys Räumen Festplatten entfernt und vernichtet worden. Wo nichts ist, weil da nie etwas war oder weil da nichts mehr gefunden werden kann, gibt es aber auch keinen Fall. Keinen Fall Edathy, vielleicht. Mit Friedrichs Rücktritt wird aus dieser Affäre aber etwas weit Größeres: ein Fall Große Koalition."
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.
Quelle: ntv.de