Pressestimmen

EU-Schlusslicht trotz steigender Geburtenrate "Deutsche Familienpolitik versagt"

In Deutschland gibt es wieder mehr Babys. Die Geburtenrate stieg im Jahr 2010 auf den höchsten Stand seit 1990. Klingt erst einmal gut, möchte man meinen. Doch mit durchschnittlich 1,39 Kind pro Frau lässt sich die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik nicht halten. Dafür müssten es 2,1 Kinder sein. Zudem bildet Deutschland mit seinen Geburtenzahlen das Schlusslicht in Europa. Unionsfraktionschef Kauder will das Elterngeld dennoch auf den Prüfstand stellen. Für ihn steht fest, dass "mit Geld kein Kindersegen erreicht wird".

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(Foto: picture-alliance / dpa)

Die Nürnberger Nachrichten reagieren auf die Forderung Kauders mit Befremden. Für die Kommentatoren der nordbayerischen Zeitung hat der CDU-Politiker "im falschen Moment das Falsche gesagt - und damit ein Musterbeispiel geliefert, wie kurzatmige Familienpolitik Paare verunsichern kann und damit die Entscheidung für Kinder erschwert". Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag trete "ohne Not eine Debatte über das Elterngeld los", denn gerade die steigenden Geburtenzahlen würden belegen, "dass die Zahlungen einen positiven Effekt haben. Außerdem kündigt er die Überprüfung dieser Zahlungen ausgerechnet für 2013 an - und das ist genau das Jahr, ab dem sie erst ihre volle Wirksamkeit entfalten können".

Für das Delmenhorster Kreisblatt stellt eine mögliche Abschaffung des Elterngeldes "ein verheerendes Signal" dar: "Natürlich erreicht man mit Geld keinen Kindersegen, aber manche Elternsorgen werden durch die Lohnersatzleistung verringert. Denn nach wie vor stellen Kinder ein großes Armutsrisiko dar". Für das Blatt aus Niedersachsen steht fest: "Dass gut drei Jahre nach der Einführung mehr Zweit- und Drittgeborene auf die Welt kommen, zeigt deutlich: Das Elterngeld wirkt".

Die Heilbronner Stimme sieht das anders: "Der 'Erfolg' dieser höheren Geburtenziffer hat viele Väter und Mütter, die sich nun beispielsweise wegen des Elterngelds kräftig auf die Schultern klopfen", ist hier zu lesen. Und auch die finanzielle Unterstützung von Familien sei eine notwendige Sache. Doch: "Für potenzielle Väter und Mütter, die sich gründlich überlegen, neues Leben in die Welt zu setzen, dürfte aber eine gewichtigere Rolle spielen, welche Perspektiven ihre Kinder vorfinden werden. In schulischer und beruflicher, ökologischer, sozialer und gesundheitlicher Hinsicht". Die Kommentatoren der Tageszeitung aus Baden-Württemberg scheinen sicher: "Auf die Schulterklopfer in der Politik warten schwerere Aufgaben als Elterngeld beschließen: Ist der Schuldenstand verantwortbar? Wie viele Fukushimas verkraftet die Erde noch? Wie sicher wird das Leben ohne globale Gerechtigkeit?".

Der große Jubel über die neu vorgelegten Zahlen des Statistischen Bundesamtes will auch bei der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen nicht ausbrechen: "Was predigen denn Eltern und Großeltern? Erst eine abgeschlossene Ausbildung, dann einen sicheren Job, ein ausreichendes Einkommen, eine ortsfeste Beziehung fürs Leben - und dann erst, ja dann können die Kinder kommen". Die Wirklichkeit aber, so das Blatt aus Kassel, sehe bekanntlich anders aus: "Immer mehr befristete Anstellungen, Niedrigstlöhne, Druck auf Frauen in Betrieben und schwierige Arbeitsbedingungen für Mütter und Väter. Trotz hohen Milliardenaufwands versagt unsere Familienpolitik seit langem bei der dringend nötigen Auflösung dieses Widerspruchs: Wir alle brauchen Kinder als Wohlstandsgarantie; für jeden Einzelnen aber stellen sie ein Armutsrisiko dar. So bleibt es bis auf weiteres bei einer deprimierend niedrigen Geburtenrate, weniger schnelles Sinken hin oder her".

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke

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