Zukunft der italienischen Politik "Die Ära Berlusconi ist noch nicht zu Ende"
02.08.2013, 21:33 Uhr
Bislang schienen Vorwürfe einfach an Silvio Berlusconi abzuperlen. Doch jetzt ist Italiens Ex-Regierungschef erstmals rechtskräftig verurteilt. Ist das sein politisches Ende? Und wie geht es für Italien ohne den Skandalpolitiker weiter, fragen die Kommentatoren der deutschen Presse.
Die Berliner Zeitung nennt den Prozess um Berlusconi eine Ironie der Geschichte: Dank der Justiz nur sei er an die Macht gekommen. Zu Beginn der 90er Jahre deckten Staatsanwälte ein weitverzweigtes System von Korruption und illegaler Parteifinanzierung auf, in das Spitzenpolitiker, Unternehmer, Generäle und Richter verwickelt waren. "Die erste Republik, die sich quasi über Nacht auflöste, brach zusammen. Aus ihren Ruinen tauchte wie ein Phönix aus der Asche der große Zauberer Berlusconi auf." Fast 20 Jahre später komme er nun zu Fall - dank der Justiz, so das Blatt. "Politisch ist er am Ende."
Was die alten Männer des höchsten Gerichts in Italien mit dem Urteil in Sachen Berlusconi ablieferten, sei kein Ruhmesblatt für die Justiz, schreibt Der neue Tag aus Weiden. Eher ähnle das Verfahren einem tagelangen Eiertanz, bei dem geschaut wird, wie man die von zwei Vorinstanzen abgeurteilte Steuerhinterziehung bestätigen könne. Man wolle dem Medienzar, Multi-Milliardär und abgehalfterten Regierungschef schließlich nicht wehtun.
In fast jedem anderen europäischen Land wäre dies das unwiderrufliche Ende einer politischen Karriere, stellt der Münchner Merkur fest. Dies gelte aber nicht unbedingt für Italien. Dort sei es dem Self-Made-Millionär Berlusconi gelungen, mit einem hörigen Medienapparat und diversen auf sich zugeschnittenen Gesetzen ein effektives Sicherheitsnetz aufzuspannen.
"Es zeigt jetzt zum ersten Mal Löcher; ob es reißt, ist noch nicht ausgemacht. Es ist gespenstisch: Berlusconi, der das Wohl Italiens stets seinen egomanischen Interessen untergeordnet hat, ist noch im politischen Todeskampf imstande, das komplette Land als Geisel zu nehmen", schreibt das Blatt. "Und das ungläubige Staunen über die vielen Leben des kleinen alten Mannes mit dem bizarren Hang zu Schönheitsoperationen und blutjungen Mädchen weicht purem Entsetzen angesichts der Tatsache, dass Italien der EU zum Schicksal werden könnte."
"Italien ist in den vergangenen 20 Jahren über lange Zeit von einem Mann regiert worden, der über erhebliche kriminelle Energie verfügt", schreibt Die Welt. Als Unternehmer habe demselben Staat deutlichen Schaden zugefügt, den er als Politiker geführt habe. Ohnehin sei es fraglich, ob es mit Berlusconi nun wirklich vorbei sei. "Solange seine Medienmacht nicht zerschlagen ist und solange es weiter viele Italiener gibt, die ihre Stimme für sein Familienunternehmen plus angeschlossener Partei abgeben, so lange ist der Berlusconismo noch nicht am Ende."
Für die Stuttgarter Zeitung steht fest: Wenn Italien eine Reform brauche, dann ist es die Ablösung von Berlusconi und vom Berlusconismus. Doch selbst in dieser historisch einmaligen Situation spreche nichts dafür, dass sich Politik und Land von ihm losreißen würden. "Die Ära Berlusconi ist noch nicht zu Ende. Jetzt beginnt eine neue: eine Agonie, die über weitere Jahre hinaus alle und alles lähmen wird."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Lisa Schwesig