Pressestimmen

Obama sagt Treffen mit Putin ab "Diplomatische Blamage erster Güte"

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Der Streit um den von den USA wegen Spionage gesuchten Edward Snowden erreicht seine bisher höchste Eskalationsstufe. US-Präsident Barack Obama sagt sein lange geplantes Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin im September wegen der Spannungen um den US-Whistleblower ab. Ein beispielloser Affront für den russischen Präsidenten, der, so Jochen Müter von n-tv.de, nicht notwendig gewesen wäre. Hatte Putin eben doch noch gewarnt, der Fall Snowden dürfe das Verhältnis beider Länder nicht belasten. Auch die Kommentatoren der deutschen Zeitungen diskutieren, ob die Entscheidung des Präsidenten weise ist. Oder steht nun eine neue Eiszeit zwischen beiden Ländern bevor?

Obama reagiert beleidigt auf Russlands Entscheidung, Snowden Asyl zu gewähren

Obama reagiert beleidigt auf Russlands Entscheidung, Snowden Asyl zu gewähren

(Foto: Reuters)

Den Westfälischen Nachrichten tut Barack Obama "angesichts der zahlreichen Breitseiten aus dem Kreml", fast leid. Es wirke "kleinlich, ja fast peinlich", wenn sich Obama dem Gespräch mit Putin entziehe, so d as Blatt aus Münster: "Es ist einfach nicht souverän. Wenn seine Amtszeit nicht mit einem bunten Katalog von Versprechungen enden soll, die unerfüllt bleiben, muss er dringend international an Statur gewinnen. Gerade deshalb bleibt Putin für ihn ein wichtiger Gesprächspartner."

Die Nürnberger Nachrichten werfen dem US-Präsidenten Instinktlosigkeit vor: "Geradezu manisch wirkt sein Eifer, um jeden Preis jenes Mannes habhaft zu werden, der die US-Geheimdienste bloßgestellt hat. Seinen Justizminister ließ er gar eine Art Bettelbrief an Moskau schreiben, um Snowdens Auslieferung zu erreichen - damit hat er dem eiskalt kalkulierenden russischen Präsidenten einen Gefallen getan. Putin, der nichts von Menschenrechten wissen will, wenn es gegen politisch Andersdenkende oder Homoschützer eines politisch Verfolgten" geht. Für die Zeitung aus Mittelfranken stellt Obamas Absage an Russland schlichtweg "eine diplomatische Blamage erster Güte" dar.

Für die Welt steht fest, dass Obama keine andere Möglichkeit hatte als abzusagen: "Amerikas Außenpolitik verstrickt sich in Widersprüche. Im Fall Syrien konnte man es erleben. Während Obama sich zu Beginn des Bürgerkriegs heraushielt, kündigte er im vergangenen Jahr an, Assad müsse gehen. Waffenlieferungen an die Rebellen sollten ausbleiben; bis Obama sich auch in dieser Frage korrigierte und militärische Hilfe ankündigte. Gleichzeitig zog der Präsident die Schiffe der sechsten US-Flotte aus dem Mittelmeer ab. Er rief sie nicht einmal zurück, als Russland das freie Feld nutzte, um die Zahl seiner Kriegsschiffe in der Region zu erhöhen". Für das Blatt aus Berlin steht fest: "Putin hält Obama für schwach. Auch aus diesem Grund wagte er es, Snowden Asyl zu gewähren. Obama blieb nichts anderes übrig, als sich 'extrem enttäuscht' zu zeigen und seine Moskaureise abzusagen. Eine Geste von Jimmy Carterscher Hilflosigkeit."

"Was hätten wohl die USA getan, wenn ein Plauderer aus dem russischen Geheimdienst in Washington um Zuflucht gebeten hätte - ihn zurückgeschickt?", fragt der Kölner Stadt-Anzeiger. Die Absage des üblichen Vieraugengesprächs mit Putin am Rande des G-20-Gipfels ist für den Kommentator "ein trotziges Aufstampfen, gedacht für die heimische Kulisse, das nirgendwo hinführt".

Die Augsburger Allgemeine gibt sich überzeugt, dass "die augenblickliche politische Frostperiode" nicht allzu lange andauern wird. Klar sei aber, "dass Putin (…) die alleinige Weltführerschaft der USA nicht anerkennen will, wie dies in den 90er Jahren noch ein schwacher Präsident Jelzin tat. Obama sollte indes ruhig auch einmal seine Haudrauf-Position überprüfen. Der 'Verräter' Snowden, dessen er habhaft werden will, ist für viele Menschen auf der Welt ein Held, der vielleicht noch rechtzeitig vor der digitalen Totalüberwachung gewarnt hat".

Auch die Nürnberger Zeitung nimmt die möglichen politischen Folgen der Absage ins Visier und kommt zu dem Schluss: "Ein Präsident, der angesichts der mageren Erfolgsbilanz seiner bisherigen Amtszeit ohnehin massiv an Glanz verloren hat, kann sich ein weiteres Versagen kaum noch leisten. So bringt die Affäre um (…) Snowden ein Stück Eiszeit zwischen den USA und Russland zurück. Doch Obama weiß nur allzu gut, dass er alleine mit zahlreichen Krisenherden überfordert ist. Ob Syrien, der Nahe Osten oder Iran - die USA brauchen Russland. Diese Tatsache wird dafür sorgen, dass Obama und Putin wieder miteinander reden werden."

Zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke

Quelle: ntv.de

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