Pressestimmen

Griechenland bittet um Hilfe "EU ist kein Selbstbedienungsladen"

Die Griechen haben jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt. Darin besteht Einigkeit. Doch wer soll nun die Zeche zahlen? Europa müsse Solidarität zeigen, heißt es. Aber nicht in Form eines Barschecks, meinen andere. Auch die wütenden Protestler müssten nun erkennen, dass eine Radikalkur nötig ist.

Griechenland muss den Gürtel enger schnallen.

Griechenland muss den Gürtel enger schnallen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Mitteldeutsche Zeitung lobt das Krisenmanagement des griechischen Premiers: "Es ist ein Glücksfall für Griechenland und die EU, dass es Papandreou ist, der jetzt in Athen regiert. Er hat nicht nur den Mut zu schmerzhaften Einschnitten. Ihm ist es bisher auch gelungen, die Mehrheit seiner Landsleute von der Notwendigkeit des Sparkurses zu überzeugen." Was das Land aber jetzt brauche, sei der Rückhalt durch die EU-Partner, eine "eindeutige politische Unterstützung". Die sollte ihm gewährt werden: "Premier Papandreou besucht jetzt Berlin und Paris. Er will dort nicht um Geld betteln, sondern politische Solidarität einfordern. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wären gut beraten, diese Solidarität klar zu zeigen - auch um drohende Gefahren für den Euro abzuwenden."

"Am Tag, an dem Giorgos Papandreou seinen Landsleuten einen ersten Blick auf das Folterwerkzeug der Moderne gewährte, Sparpaket genannt, warb EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso für eine stärkere gemeinsame Wirtschaftsaufsicht. Athen vollzieht damit den ersten Schritt, um den griechischen Sündenfall des Hineintricksens in den Euro-Raum zu büßen. Brüssel will den ersten Schritt gehen, um den Webfehler des Euro zu beheben, der nur als Geburtshelfer der Währungsunion gedacht war, nicht der politischen Union. Damals wurde das Pferd von hinten aufgezäumt", konstatiert die Lüneburger Landeszeitung und kritisiert die Zurückhaltung einzelner EU-Staaten zur Fehlerbehebung: "Der Eurozone fehlt Lenkung über Sanktionen - kurz eine wirkliche Wirtschaftsregierung. Leider mangelt es - gerade in Berlin - an politischem Willen, das Pferd richtig herum aufzuzäumen. Lieber bleibt man im kleinen, nationalen Sattel sitzen als Europa endlich die Sporen zu geben."

Die Nürnberger Nachrichten sehen schwarz: "Griechenland wird selbst bei größten Anstrengungen die Probleme nicht schnell genug in den Griff bekommen. Die Proteste gegen die Rosskur werden das Land lähmen. Um den Schuldendienst leisten zu können, müsste die Wirtschaft wachsen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Unternehmen produzieren zu teuer, sie sind nicht wettbewerbsfähig. Und jetzt wird auch noch das rigide Sparprogramm den Konjunkturmotor zusätzlich drosseln."

Der Kölner Express versteht die Protestler nicht: "Kaum hatte die Regierung in Athen ihr drastisches Sparprogramm beschlossen, drohten viele Griechen prompt damit, auf die Barrikaden zu gehen. Offenbar haben sie noch immer nicht begriffen, dass das Land kurz vor dem Offenbarungseid steht. Ihnen wird aber nichts anderes übrigbleiben, als den Gürtel enger zu schnallen. Zu lange hat das Land über seine Verhältnisse gelebt - auf Pump, versteht sich. Das Spiel ist aus." Drastischer wird das Blatt angesichts der Diskussion um Finanzhilfen: "Es ist nicht einzusehen, dass die Europäische Gemeinschaft die Zeche für die Misswirtschaft zahlen soll, die zum größten Teil hausgemacht ist. Hilfe ja - aber kein Barscheck in unbeschränkter Höhe. Europa ist kein Selbstbedienungsladen für schwindsüchtige Mitglieder, wo man sich ohne Gegenleistung mit frischem Geld eindecken kann. Wer das nicht kapieren will, hat im Club Europa nichts zu suchen."

"Alle demonstrieren in Griechenland, die Beamten, die Rentner, die Studenten, die Taxifahrer. Das Land wütet kollektiv gegen die Radikalkur, die ihm die Europäische Union verordnet. Es ist ein Aufstand gegen die Vernunft. Jahrzehntelang lebten die Griechen über ihre Verhältnisse. Nur mit einem rigorosen Sparkurs lässt sich die Staatspleite abwenden und damit der Kollateralschaden für den Euro", kommentiert der Südkurier aus Konstanz und sucht nach den Ursachen der Misere: "Betrachtet man die Reihen der Demonstranten näher, wird klar, warum der Euro-Partner an der Ägäis so tief im Schuldensumpf steckt. Staatsdiener verdienen in Griechenland erheblich mehr als ihre Landsleute in der Privatwirtschaft. Der öffentliche Dienst kassiert 14 Monatsgehälter. Die Renten steigen ohne Rücksicht auf die Wirtschaftskraft. Ein Land mit einer derartigen Ausgabenpolitik hätte den Euro nie bekommen dürfen. Jetzt muss es wenigstens bereit sein, den Schaden für sich und andere zu begrenzen. Europa darf sich von den Protesten nicht erweichen lassen."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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