Schreibers Rückkehr "Ein Bock als Landschaftspfleger"
03.08.2009, 20:28 UhrMit der Rückkehr von Karlheinz Schreiber ist die längst vergessen geglaubte CDU-Spendenaffäre wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Zwar ist das Timing in Wahlkampfzeiten denkbar ungünstig, die Causa Schreiber wird die Union aber nicht in ihren Grundfesten erschüttern, da sind sich die Kommentatoren der Presse einig. Sie sehen in dem ehemaligen Waffenlobbyisten vielmehr eine "lebende Gedächtnisstütze für abhebende Politiker".

Einer der "widerlichsten Vertretern eines korrupten Staatsverständnisses": Karlheinz Schreiber.
(Foto: REUTERS)
"Wie eine Bombe mit brennender Lunte ist der ehemalige Waffenschieber und mutmaßliche Bestecher, Veruntreuer, Steuerhinterzieher und Betrüger Karlheinz Schreiber von Kanadas Regierung direkt in den lauen Wahlkampf katapultiert worden. Die Union wird unvorbereitet an das dunkelste Kapitel ihrer Geschichte erinnert, das um ein Haar ihr letztes gewesen wäre." Allerdings tauge die "Schreiber-Bombe" laut Leipziger Volkszeitung nicht "zu einer Sprengwirkung, die das Ergebnis der Bundestagswahl maßgeblich beeinflussen könnte" und benennt auch den Grund dafür: "Bei aller Peinlichkeit für CDU und CSU war es ausgerechnet deren heutige Kanzlerin und Kandidatin, die vor einem Jahrzehnt den Spuk des Parteispendenskandals mit einer mutigen Distanzierung von der Unions-Ikone Helmut Kohl beendete und die Union damit rettete."
Aber, so der Südkurier, "ein angenehmer Gast ist der Mann für CDU und CSU nicht" und die Spendenaffäre kehrt in das "Gedächtnis der Nation" zurück. "Unerhörtheiten, wie Millionenübergaben auf Schweizer Parkplätzen, werden noch einmal akribisch seziert. Eine Imagekampagne zugunsten der Union sieht anders aus. Das wird allerdings weder die Nach-Kohl-CDU noch die Nach-Strauß-CSU in ihren Grundfesten erschüttern können. Der Fall Schreiber ein deprimierendes Lehrstück über die Verführbarkeit von Politikern. Es erzählt von Machtvergessenheit und dem Irrglauben, das Recht gelte nur für andere. Dass all die Schreiber-Millionen den Gang vor den Richter nicht verhindern konnten, ist das gute Ende eines üblen Schmierentheaters."
Auch für die Frankfurter Rundschau steht fest, dass Schreiber CDU und CSU nicht "ins Wanken" bringen wird, aber es gäbe zumindest einen Punkt, "an dem die alten Geschichten gegenwärtige Diskussionen berühren: Politiker mit realer oder auch nur gefühlter Macht stehen immer in der Gefahr getrübter Wahrnehmung bis zum Wirklichkeitsverlust." Daher könne die Rückkehr Schreibers als "lebende Gedächtnisstütze für abhebende Politiker" nicht schaden. So sei das eben mit Gespenstern: "Solange sich die Leute vor ihnen erschrecken, erfüllen sie ihren Zweck."
"Schreiber gehört zu den widerlichsten Vertretern eines korrupten Staatsverständnisses, in dem man mit dem Geldkoffer politischen Einfluss kaufte", so die Rhein-Neckar-Zeitung, schränkt aber ein, dass zu diesem Geschäft "immer zwei" gehörten. Aus diesem Grund sei auch "die späte Auslieferung des Waffenlobbyisten, der von Kanada aus deutsche Politiker mit seinem Hehlerwissen bedrohte, richtig. Allerdings ist Schreiber, der notorische Aufschneider, in der Rolle des Kronzeugen so glaubwürdig wie ein Bock als Landschaftspfleger. Dennoch, auch wenn die meisten Akteure - bis auf Wolfgang Schäuble - längst abgetreten sind, als Beitrag zur politischen Hygiene ist der Prozess immer noch von historischem bis grundsätzlichem Interesse."
Die Nürnberger Nachrichten werfen einen Blick auf den kommenden Prozess: "Es wird ein Spiel mit Haken und Ösen werden, das Verfahren in Augsburg. Es wird um die Verjährung gehen, um die Beweiskraft der Bankbelege, die schon in den vergangenen Verfahren umstritten war, um Tagebucheinträge, Zeugenaussagen und letztlich um die Frage, wie weit sich die Schuld Schreibers beweisen lässt. Der Kauferinger wird eine Armee von Anwälten aufmarschieren lassen. Und er wird es der Justiz nicht leicht machen, sondern das Verfahren endlos in die Länge ziehen: Aufs Tricksen, das hat er bewiesen, versteht er sich."
Zusammengestellt von Katja Sembritzki
Quelle: ntv.de