Pressestimmen

Deutsche Ermittlungen gegen die NSA "Ein Zeichen der Ohnmacht"

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Nach monatelangem Prüfen will die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den US-Geheimdienst NSA einleiten. Die Ermittlungen sollen sich vorerst auf die Schnüffelattacken gegen das Handy der Kanzlerin beschränken. Das berichten Teilnehmer aus der Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages, dem Generalbundesanwalt Harald Range sein Vorhaben mitteilte. Ein wichtiges Signal, das jedoch leider zu schwach geraten sei, konstatiert die deutsche Presse.

Der Mannheimer Morgen kritisiert das späte Handeln des Generalbundesanwalts: "Es gibt Situationen, in denen es nahezu unmöglich erscheint, eine gute Figur abzugeben. In einer solchen Lage befindet sich derzeit der Generalbundesanwalt." Doch obwohl Ranges Erfolgsaussichten begrenzt seien, habe dieser eine Chance vertan: "Denn es geht auch um rechtsstaatliches Selbstbewusstsein. Um dieses wäre es jedoch sehr viel besser bestellt, wenn Range das Verfahren nicht erst jetzt eingeleitet hätte. Zwar wären auch in diesem Fall die Zeugen aus den USA oder Großbritannien nicht gekommen. Doch das Signal wäre ein ganz anderes gewesen: Wir haben es versucht, aber "die böse NSA" hat eben nicht gewollt. Nun steht er als kraftloser Lavierer da."

Die Heilbronner Stimme lobt das angestrebte Ermittlungsverfahren als ein bedeutsames Zeichen gegen die Schnüffelwut aus den USA: "Auch wenn die Ermittlungen von Generalbundesanwalt Harald Range nur an der Oberfläche kratzen und nicht die dunklen Seiten der weltweiten Überwachungssysteme ans Licht zerren, senden sie ein wichtiges Signal, das man aus der politischen Führung Deutschlands sonst zu selten vernimmt: Wir lassen uns nicht folgenlos ausspähen." Auch wenn die Amerikaner unsere Partner in der Weltpolitik seien, und auch wenn sich die Praxis der Geheimdienste nicht in Gänze umkrempeln ließe, kommentiert die Zeitung, "gibt es Dinge, die Moral und Anstand widersprechen. Dazu gehört auch das flächendeckende Ausspähen."

"Viel ist die Rede von weiterer Aufklärung", stellt der Tagesspiegel fest, hält diese jedoch für unwahrscheinlich. Ohnehin liege die Leistung Snowdens weniger darin, "Ausmaß und Programme der Überwachung publik gemacht zu haben", schreibt das Blatt weiter. Mit seinen Enthüllungen habe er "eine Perspektive eröffnet, die Grundrechte Einzelner auf globaler Ebene mit staatlichen Macht- und Schutzansprüchen konfrontiert". Die sogenannte Auslandsaufklärung erscheine in neuem Licht, in dem sich auch der BND zu rechtfertigen habe: "Die Dienste greifen ab, was sie können, wir Bürger geben, was wir haben. Aufklärung ist, wenn dies ein Ende hat."

Dem Kölner Stadt-Anzeiger geht das Ermittlungsverfahren nicht weit genug: "Was den Schutz der Bürger vor Ausforschung durch die US- und britischen Geheimdienste betrifft, wäre ein erster Schritt die Offenlegung aller Vereinbarungen mit den westlichen Siegermächten, die das Ausspähen bisher ermöglichen. Ohne das ist das Verfahren des Generalbundesanwalts nur ein Zeichen der Ohnmacht."

Auch der Süddeutschen Zeitung ist der Fokus der Ermittlungen zu eingeschränkt: "Viele Monate hat das Ventilieren der Frage gedauert, ob nun wegen der NSA-Spionage offiziell ermittelt werden soll. Das Ergebnis lautet nun: 'ein klein wenig'." Zuviel werde beim Ermittlungsverfahren außen vor gelassen, so das Blatt weiter: "Es wird nicht ermittelt wegen des Verdachts, dass die Bundesbürger umfassend vom US-Geheimdienst ausgeforscht werden. Ermittelt wird nur wegen des Abhörens bei der Bundeskanzlerin." Das sei zwar besser als nichts, aber nicht viel und nur schwer zu erklären: "Gewiss, die Kanzlerin ist wichtig, und ihr Mobiltelefon ist ein Geheimnisträger. Aber sind die Grundrechte der Kanzlerin mehr wert als die Grundrechte von anderen. Der Generalbundesanwalt tut so, als wäre das kleine Ermittlungsverfahren wegen des Merkel-Handys ein Pilotverfahren. Es ist wohl eher ein Ablenkungsverfahren."

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist die Bedeutung des Verfahrens rein symbolischer Natur: "Niemand sollte ernsthaft damit rechnen, dass amerikanische Agenten je in diesem Verfahren aussagen werden. Gleichwohl: Die Ermittlungen als solche sind ein Signal." So  sollten sie denn auch nicht vorschnell aus praktischen oder außenpolitischen Erwägungen eingestellt werden, kommentiert die Zeitung weiter und begründet: "Denn Deutschland behauptet damit seine Rechtsordnung. Die amerikanischen Partner müssen spüren, dass etwas schiefgelaufen ist - und das haben sie auch schon gemerkt." Doch die Zeitung gibt zu bedenken: "Mit wichtigen Partnern muss man weiter zusammenarbeiten. Das Verhalten der eigenen, mit den Amerikanern eng und erfolgreich zusammenarbeitenden Geheimdienste muss den Maßstäben entsprechen, die man an andere anlegt. Hysterie ist kein guter Ratgeber - nicht nur im Ermittlungsverfahren."

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.

Quelle: ntv.de

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