Situation in Ost-Ukraine eskaliert "Ein brandgefährliches Machtspiel"
13.04.2014, 21:10 Uhr
Nach der Abspaltung der Krim weitet sich die Krise der Ukraine in den Osten des Landes aus: Prorussische Aktivisten machen der Zentralregierung die Kontrolle über den Landesteil streitig. Die Kommentatoren der Presse sind sich einig, dass Russland maßgeblich an der Eskalation beteiligt ist. Doch auch den Westen warnen sie vor unüberlegtem Handeln.
"Die Ukraine kann nur dann überhaupt zur Ruhe kommen, wenn es ihr gelingt, einen Ausgleich mit Russland zu finden" behauptet der Mannheimer Morgen. "Dazu zählt zum Beispiel der Verzicht auf Nato- und EU-Mitgliedschaft. Das hätte man von Anfang an so machen müssen."
Für den Tagesspiegel aus Berlin stellt sich die Lage weniger klar dar. Die Kommentatoren meinen, der Verzicht auf einen Nato-Beitritt müsse an Bedingungen geknüpft sein: "Offensiv verlangt Moskau nun Garantien gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Es gibt keinen Zeitplan für einen Beitritt, Obama drängt anders als sein Vorgänger Bush nicht auf eine Aufnahme. Die EU und die USA stehen deshalb vor einer heiklen Frage: Können sie formal auf etwas verzichten, was sie gar nicht anstreben? Aus der Position der Stärke heraus sollte der Westen ein solches Zugeständnis dennoch machen, wenn Russland sich umgekehrt endlich an der Stabilisierung des Nachbarlandes beteiligt. Wichtig dabei ist: Die Entscheidung darf nicht über die Ukraine hinweg, sondern nur mit ihr getroffen werden."
Die Tageszeitung Die Welt ist sich sicher, dass die prorussischen Aktivisten nicht ohne Unterstützung aus Moskau agieren. Daraus leitet sie das Gebot der Stunde für die EU und die USA ab: "Aus Sicht Moskaus darf nur eines nicht passieren: eine Präsidentenwahl, bei der am Ende ein westlicher Kandidat, allen voran der Unternehmer Petro Poroschenko, als legitimer Sieger hervorgeht. Deshalb lässt man russische Separatisten Randale machen und staatliche Gebäude besetzen. Es ist klar, dass der Westen diesen Eingriff in die Selbstbestimmung eines Volkes im Herzen Europas nicht dulden kann. Doch was können die USA und die EU tun? Die Antwort ist trist: realistisch sein. Das heißt: kurzfristig mit Sanktionen drohen, sie umsetzen und auch mit den Säbeln rasseln. Irgendwann aber wird man Wladimir Putin entgegenkommen müssen, denn sonst wird die Ukraine zu einem unkontrollierbaren Pulverfass. Einen Beitritt des Landes in die EU oder gar die Nato wird es vorerst nicht geben." meinen die Kommentatoren der Welt aus Berlin.
Der Münchner Merkur zweifelt an der Handlungsmacht von EU und USA und nennt die Situation in der Ukraine warnend "ein brandgefährliches Machtspiel, das sehr schnell in Kampfhandlungen münden kann. Wirklich deeskalierend auf die ostukrainischen Krawallmacher und Separatisten kann nur Moskau einwirken. Ob der Kreml dazu bereit ist, wird auf die Ereignisse der kommenden Tage und Wochen gravierenden Einfluss haben."
Auch die Stuttgarter Zeitung wähnt sich in Sicherheit über die russische Einflussnahme und prognostiziert fatale Konsequenzen für die Ukraine: "Selbst wenn Putin eine direkte Einflussnahme auf die prorussischen Akteure bestreitet, kann kein Zweifel daran bestehen, dass Moskau die sehr gut organisierten Unruhestifter stoppen könnte. Stattdessen lässt Russlands Präsident Fakten schaffen, die nur noch mit massiver Gewalt rückgängig zu machen wären. Somit hat die Übergangsregierung der Destabilisierung wenig entgegenzusetzen. Das Land droht zu zerfallen."
Die Berliner Zeitung meint, genau diese Entwicklung müsse verhindert werden und schreibt: "Die Ukraine, heißt es, sei zu keinem Zeitpunkt ein wirklich eigenständiger Staat gewesen. Allein die Zweisprachigkeit des Landes beweise, dass sich die Ukrainer nie als Nation begriffen hätten. Tatsache ist jedoch, dass die Ukraine seit nunmehr 23 Jahren als souveräner Staat existiert, dem mindestens ebenso lang eine Spaltung entlang seiner Sprachgrenze prophezeit wird. Die meisten Ukrainer sind allerdings beider Sprachen mächtig - und die erwähnten Umfragen belegen eindeutig, dass in 23 Jahren offenbar mehr Gemeinsames als Trennendes gewachsen ist. Diese Entwicklung zu stützen, sollte Grundlage aller diplomatischen Bemühungen im Konflikt mit Russland sein."
Doch, gibt die FAZ zu bedenken, "Moskau will keine Zusammenarbeit und keinen Dialog. Es will die Eskalation des Konflikts; es sucht einen Anlass, die geplanten Treffen unter Beteiligung der Ukraine platzen zu lassen. All das sollte nun endlich auch denen klar werden, die noch immer die Illusion hegen, der russisch-ukrainische Konflikt könne durch Kamingespräche und freundliche Berücksichtigung russischer Interessen gelöst werden. Es ist Zeit, die nächste Runde von Sanktionen gegen die russische Führung einzuläuten. Das sollte geschehen, noch bevor die Ukraine in Stücke zerrissen worden ist, sei es durch eine von Moskau geschürte Eskalation in der Ostukraine, sei es durch einen Einmarsch russischer Truppen. Der Beschluss des russischen Parlaments, Putin den Einsatz der Armee in der Ukraine zu gestatten, ist noch immer in Kraft" erinnert die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Zusammengestellt von Anne Pollmann
Quelle: ntv.de