Pressestimmen

Entmachtung von Sarrazin "Ein gescheiterter Migrant"

Dass Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin nach seinen abfälligen Äußerungen über Einwanderer von einem Teil seiner Aufgaben entbunden wurde, wertet die Presse überwiegend als notwendiges Signal, macht aber auch zwei Verlierer aus: die Bundesbank selbst und die Meinungsfreiheit.

Sarrazin ist mal wieder über das Ziel hinausgeschossen.

Sarrazin ist mal wieder über das Ziel hinausgeschossen.

(Foto: dpa)

Dass Sarrazin in der Bundesbank nun kaum mehr etwas zu sagen hat empfindet die Allgemeine Zeitung aus Mainz als "gut und richtig, denn es ist das einzig mögliche Signal, einem Mann, der immer wieder beweist, dass er bei seinen politischen Äußerungen jedes Augenmaß vermissen lässt, deutlich zu zeigen, was nicht nur eines Bundesbankers sondern auch eines jeden Bürgers dieses Landes würdig ist und was nicht." Die Zeitung streitet nicht ab, dass er ein Thema angesprochen hätte, das uns alle angeht und "dessen ungute Entwicklung" man nicht ignorieren könne. Aber "die Art und Weise, wie er es getan hat, wird uns bei der Bewältigung der Probleme nicht voranbringen, sondern im Gegenteil weit zurückwerfen. Auch deshalb ist es gut und richtig, dass ihm die Rote Karte gezeigt worden ist."

"Die deutsche Empörungsgesellschaft forderte ein Sühneopfer, und sie hat es bekommen: Thilo Sarrazin, der Provokateur im Vorstand der Bundesbank, ist kaltgestellt", kommentiert der Münchner Merkur. Einen Mangel an Siegern kann das Blatt nicht feststellen, denn "wer sich im Besitz der einzig rechtschaffenen Gesinnung wähnt, darf sich zufrieden zurücklehnen. In der Ausländerpolitik dürfen sich die Verantwortlichen weiter in die Tasche lügen." Verlierer hingegen sind "die Meinungsfreiheit" und "die Bundesbank, von der es früher immer hieß, sie sei das einzige, woran die Deutschen außer an den lieben Gott glaubten. Sie stürzt in eine Vertrauenskrise. Denn die große Mehrheit der Bevölkerung hat zu erkennen gegeben, dass sie Sarrazins Sorgen teilt."

Laut Leipziger Volkszeitung könnte man Sarrazin als "Musterbeispiel einer gelungenen Integration" verstehen: "Wer es aus einer vertriebenen französischen Hugenottenfamilie mit Piraten-Wurzeln zum Berliner Finanzsenator und Bundesbanker bringt, der darf durchaus seine Eingliederung in die Heimat der Kleingärtner und Bierfreunde als geglückt ansehen. Doch Sarrazin hat etwas getan, was hierzulande zwischen gequältem Parteiendeutsch und der bemühten Problemverdrängung kaum ein Denker und Lenker mehr wagt: Er hat Klartext geredet. Er hat es mit einem schonungslosen, teils bitterbösen Rundumschlag getan. Nun hat die Bundesbank das Opfer erbracht und den Sünder dem Empörungstribunal ausgeliefert. Am vorläufigen Ende der Staatsaffäre Sarrazin bleibt damit zweierlei zurück: Ein ärgerlicher Maulkorb und ein gescheiterter Migrant."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung verbucht einen positiven Effekt: "Es wird nicht mehr verdrängt, verkleistert und schöngeredet, sondern munter gestritten - und alle mischen mit. Kritik an der Entwicklung von Parallelgesellschaften in unseren Großstädten kann nicht mehr pauschal als 'ausländerfeindlich' mundtot gemacht werden." Und auch die Einwanderer verschafften sich "organisiert Gehör", wenn über sie, und nicht mit ihnen gesprochen werde. Zusammenfassend heißt es das Blatt aber gut, "wenn beim Mitmischen weniger über kontroverse als über konstruktive Ideen gestritten würde."

Zusammengestellt von Katja Sembritzki

Quelle: ntv.de

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