Google-Rückzug aus China "Ein mutiger Schritt"
23.03.2010, 21:17 UhrIm Streit mit China hat Google die Selbstzensur seiner Suchmaschine beendet. Der weltweiten Nummer Eins bei der Internetsuche droht als Gegenmaßnahme der Ausschluss aus dem schnell wachsenden Markt in China. Google leitet die Besucher seiner chinesischen Website google.cn ab jetzt auf das in Hongkong nicht zensierte dortige Portal um.

Der US-Internetkonzern hat im Streit mit der chinesischen Regierung seine Drohung wahrgemacht.
(Foto: dpa)
Die in Rostock herausgegebene Ostsee-Zeitung versteht Googles Affront gegen die chinesische Regierung vor allem als Signal: "Mit der Verlegung seiner Suchmaschine nach Hongkong hat sich Google als erster großer westlicher Dienstleister dem Diktat aus Peking widersetzt." Ein echter Bruch mit China sei es dennoch nicht. Denn, so heißt es weiter: "Dazu ist selbst für das US-Unternehmen der Markt mit derzeit über 400 Millionen Internet-Nutzern zu verheißungsvoll, die Aussichten auf Milliardengewinne zu verlockend."
Dass die Machtprobe mit Peking von wirtschaftlichen Interessen geleitet wird, steht für die Mitteldeutsche Zeitung außer Frage: "Wer überall auf der Welt Produkte verkaufen will, bei denen der ungehinderte Informationsfluss und die freie Meinungsäußerung im Mittelpunkt stehen, kann sich nicht mit staatlichen Zensoren gemein machen, die das Internet als Bedrohung empfinden. Der Imageschaden für Google wäre gewaltig, würde sich der Konzern weiter auf die kruden Regeln Pekings einlassen". Das Hallenser Blatt zollt dem Internetriesen Respekt: "Gerade im lukrativen China-Geschäft verlässt andere Unternehmen regelmäßig der Mut, wenn es darum geht, Flagge für universelle Freiheitsrechte zu zeigen".
Auch die Frankfurter Rundschau befürwortet den Schritt des Suchmaschinenanbieters: "Wissen ist ein Menschenrecht, das Chinas Regierung seiner Bevölkerung vorenthält. Darauf beruft sich Google bei seiner Entscheidung, Pekings Zensurbestimmungen nicht länger zu akzeptieren. Es ist ein mutiger Schritt, mit dem Google sein gesamtes China-Geschäft aufs Spiel setzt. Kein Konzern hat je Vergleichbares gewagt." Nichtsdestotrotz gibt die in Hessen erscheinende Zeitung zu bedenken: "Wissen ist nicht nur Macht und Menschenrecht, sondern auch eine Ware und kein Unternehmen verdient mit ihrem Handel mehr Geld als Google. Unternehmerisch betrachtet ist der Kampf gegen Chinas Zensoren kein moralisches Heldenstück, sondern eine betriebswirtschaftliche Vernunftentscheidung".
Für das Coburger Tageblatt spielt es keine Rolle, ob der Suchmaschinen-Primus aus Menschenrechts-Gründen der chinesischen Regierung die Zähne zeigt: "Der chinesische Markt ist lukrativ. Viele Unternehmen, die dort mitspielen wollen, machen lieber einen feigen Kotau vor der Regierung in Peking als Kritik zu äußern. Bei aller wirtschaftlichen Freiheit ist China nach wie vor eine Diktatur, deren Machthaber das freie Wort mehr fürchten als Waffen. Es sind noch viele mutige Beispiele à la Google nötig, bis Chinas Betonköpfe bröckeln".
"Der Vorwurf an Google, das Unternehmen 'politisiere' den Streit über die Zugänglichkeit von Internetseiten, ist grotesk", kommentiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Rückzug aus China. Allein die chinesische Politik sei es, die ihre Bürger entmündige und ihnen nicht zutraue, sich ein eigenes Urteil über Ereignisse und Zustände im eigenen Land zu bilden. Zudem habe das Ausland die chinesischen Kommunisten über viele Jahre durch eine allzu verständnisvolle Haltung darin leider noch bestärkt. "Der Rückzug Googles führt innerhalb und außerhalb Chinas hoffentlich zu schärferem Nachdenken über eine Führung, die sich darin dem amerikanischen Unternehmen nicht unähnlich in ihre eigene Welt, in diesem Fall die eines dumpfen Nationalismus, zurückzieht."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Susanne Niedorf